18.05.2015 Demokratie oder Lobbykratie? Gutes Thema halbherzig diskutiert

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lobbyismusIn der Reihe »Quergedacht in Baden-Württemberg« wurde die Podiumsdiskussion zum Thema »Politische Kultur im Umbruch: Von der Demokratie zur Lobbykratie?« am 18.05.2015 gemeinsam von der Friedrich-Ebert-Stiftung bzw. dem Fritz-Erler-Forum und dem Verein Mehr Demokratie e.V. veranstaltet.

Teilnehmer der Diskussion waren Jochen Bäumel, ehemaliger Vorstand von Transparency International (TI), Andreas Kuhlmann, Lobbyist des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und Antje Sirleschtov, Leiterin der Hauptstadtredaktion des Tagesspiegel in Berlin. Die Moderation übernahm Frau Dr. Sabine Fandrych vom Fritz-Erler-Forum.

In einem kurzen Eingangsstatement zeigte Jochen Bäumel zahlreiche Beispiele für die Auswüchse des Lobbyismus auf (Drehtüreffekt, Spendenskandale etc.) und begründete fachkundig die Forderungen von Transparency International nach einem Lobbyregister und einem „legislativen Fußabruck“. Gleichzeitig stellte er klar, dass Transparency International auch ein Lobbyist sei, der eben für eine transparente und geregelte politische Interessenvertretung kämpfen würde. Lobbyismus als Interessenvertretung sei ein ganz basaler demokratischer Prozess. Dass er so in Verruf gekommen sei, liege vor allem an dem wiederholten dreisten Missbrauch, der in Deutschland einfach nicht unterbunden würde. Andreas Kuhlmann erklärte daraufhin seine Aufgaben als Lobbyiste und gab Herrn Bäumel in all seinen Ausführungen und Forderungen grundsätzlich Recht. Frau Sirleschtov schließlich forderte dazu auf, das Thema nicht zu skandalisieren. Sie würde eindeutig die Frage „Demokratie oder Lobbykratie?“ mit „Demokratie“ beantworten, denn so schlimm seien die Auswüchse nun auch nicht.

Die anschließende Podiumsdiskussion brachte leider recht wenig Neues zu Tage. Der Lobbyist Kuhlmann machte sich als Saubermann unangreifbar, indem er sich klar gegen sämtliche Auswüchse von Lobbyismus positionierte und ein Lobbyregister und auch den legislativen Fußabdruck befürwortete. Solange die Situation so ist, wie sie ist, werden sämtliche möglichen Wege von Lobbyisten beschritten – analog zu den ganz legalen Steuerschlupflöchern, die natürlich genutzt werden, solange es sie gibt. Aus dieser aktuellen Position heraus lässt sich leicht den Forderungen von Transparency International zustimmen, um die öffentliche Meinung zu beruhigen – wohlwissend, dass die Politik sich bisher mit Änderungen in Sachen Lobbyismus äußerst schwer tut. Herr Kuhlmann hat übrigens auch einen Parlamentsausweis – dieser läge aber in seiner Büroschublade und er würde ihn nie finden, wenn er ihn denn doch einmal bräuchte. Man bekam den Eindruck, als ob es dieses Ausweises eigentlich gar nicht bedürfe. Eine Veröffentlichung der Liste derjenigen Lobbyisten, die einen solchen Ausweis besitzen, lehnen CDU und SPD jedoch bis heute ab – ganz so unwichtig scheint er dann doch nicht zu sein.

Herrn Bäumels Diskussionsbeiträge erschöpften sich leider in den Forderungen nach dem Register und dem legislativen Fußabdruck. Einerseits sind diese Forderungen natürlich wichtig und die Arbeit von Transparency International enorm wichtig und aller Ehren wert, andererseits hätte man sich einen etwas kritischeren und bissigeren Vertreter gewünscht, der den beiden Mitdiskutanten ein wenig mehr fundiertes Paroli geboten hätte.

Die eigentlich gute Idee, eine Vertreterin der vierten Gewalt zu der Diskussion einzuladen, kam nicht zum Tragen, entpuppte sich Frau Sirleschtov doch von Anfang an als eine zahme, unkritische, dem Lobbyismus das Wort redende Vertreterin ihrer Zunft. Hörte man ihr zu, konnte man sich über den desolaten Zustand der vierten Gewalt in Deutschland nicht wirklich wundern. Höhepunkt war ihre beschwichtigend-naive Aussage, dass sich die 5.000 Lobbyisten, die es in Berlin gäbe, schon gegenseitig kontrollieren würden. Sie würden gegenseitig darauf achten, dass kein Lobbyist zu viel Einfluss bekäme. Dass Frau Sirleschtov davor warnte, das Thema zu skandalisieren, mag durchaus berechtigt sein, sie verfiel jedoch in einen unkritischen Pauschalismus, der weder diesem wichtigen Thema noch den vielen interessierten Zuschauern gerecht wurde.

In der Diskussionsrunde mit den Zuschauern brachte es ein junger Mann auf den Punkt: Die Diskussion sei nicht auf der Höhe der Zeit! Themen wie TTIP, Leihbeamtentum oder das Schreiben von Gesetzen durch beauftragte Anwaltskanzleien oder gleich durch einen Lobbyverband würden in der Diskussion nicht oder höchstens am Rande vorkommen.

In der Gesamtschau stellt sich die Frage, warum in Sachen Lobbyregister und legislativer Fußabdruck sich nichts bewegt, obwohl doch augenscheinlich alle diese Forderungen unterstützen. Oder sollte diese Unterstützung nur geheuchelt sein?

19.05.2015 / Zwuckelmann

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