Beim Bau von Stuttgart21 droht keine Einsturzgefahr

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Foto: Bauzaun am Nordflügel 2011
Foto: Bauzaun am Nordflügel 2011
Foto: Bauzaun am Nordflügel 2011

Gipskeuper ist, wie wir Stuttgarter und Stuttgarterinnen mittlerweile alle wissen, eine Gesteinsart, die in Verbindung mit Wasser quillt bzw. auslaugt. Zur Prophylaxe einer mittleren Katastrophe beim Bau des Immobilien- und Tunnelprojekts Stuttgart21 wurden deshalb die geologischen Verhältnisse im Stuttgarter Bereich in 1.900 Bohrungen erkundet, hiervon 400 für die Tunnels. Das sei der Norm entsprechend „ausreichend“1 sagt Professor Wittke, Tunnelplaner und Gutachter im Auftrag der Bahn.

Das Bohrloch 203 am Ameisenberg, wo Unmengen Wasser einfach verschwunden sind, ist wohl das Paradebeispiel für eine fachgerechte Bohrung im Rahmen der „ausreichenden“ Erkundung. Eine Aufklärung bezüglich der verschwundenen Wassermassen bleibt die Bahn bis heute schuldig.

Bohrloch 203 http://www.siegfried-busch.de/page23/page58/page58.html

Ebenso verweigert die Bahn das vor Jahren, selbst vom Umweltminister Untersteller, geforderte geotechnische Gutachten fürs Kernerviertel konsequent. Statt dessen speißt sie die besorgten Anwohner und die Bevölkerung mit einer geotechnischen Stellungnahme ab, die Herr Wittke auf 3 1/2 Seiten presst.

Das Gutachten, das die Bahn unlängst für den Kriegsberg geliefert hat, stammt ebenfalls aus dem Hause „Ingenieurbüro Professor Wittke“. Eine Auswertung steht noch aus.

Die Bewohner des Kernerviertels erwarten mit dem geforderten Gutachten Klarheit bezüglich der Fragen zur Gefahr eines Hangrutsches bzw. der Ausspülung des Ameisenbergs, was dessen Einsturz zur Folge hätte.

Die Gefahr der Ausspülung ist durch die Steigerung der abzupumpenden Wassermenge von 3 auf 6,8 Mrd m³ Liter, allein im Bau-Abschnitt des ehemaligen Mittleren Schlossgartens, nach wie vor nicht ausgeschlossen.

Die zu infiltrierende Wasser-Menge steigt im Zuge der 7. Planänderung auf das etwa 5fache, so Dipl.-Phys. Roland Morlock in einem persönlichen Gespräch. Auch dieser Umstand gefährdet die Standfestigkeit des Hangs, denn am Kerner- und Schützenplatz sind Infiltrationsbrunnen vorgesehen; wenngleich diese auch als „Kompensationsinjektionen“ Senkungen ausgleichen und gleichzeitig vermeiden sollen, dass an dieser Stelle eine eiszeitliche Hangrutschung wieder in Bewegung kommt.

Am Ameisenberg und im Kernerviertel besteht auch die Gefahr, dass der Gipskeuper aufquillt und Schäden verursacht wie in Stauffen.

Professor Wittke aber hält, wie nicht anders erwartet, die geologischen Risiken des Projekts Stuttgart21 generell für „vernachlässigbar“2.

Herr Wittke, der im folgenden Video von der Bahn als „der Geologe schlechthin“ eingeführt wird, obwohl er keiner ist sondern Bauingenieur, bescheinigt uns in diesem Propaganda-Filmchen zur 7. Planänderung des GWM ohne Auswirkungen, die sehr geringen Setzungen ohne Auswirkungen, die Unbedenklichkeit des Projekts s21 und selbstverständlich dessen Ungefährlichkeit fürs Kernerviertel.

Wer das Video halbwegs aufmerksam verfolgt, stellt fest, dass Herr Wittke in keinster Weise auf die Möglichkeit des Quellens, oder der Ausspülung des Ameisenbergs eingeht. Lediglich die „Rutschscholle“ wird ab Min 18 thematisiert, selbstverständlich wird diese angeblich nicht beeinflusst.

Allerdings hat eben dieser Herr Professor Wittke, der dem Tunnelprojekt die Bewertung „unbedenklich“ ausstellt, seinerzeit beim S-Bahn-Tunnelbau zwischen Universität und Vaihingen unvermutetes Gebirgsverhalten und Horizontalspannungen im Gebirge (Lias) nicht berücksichtigt. Deshalb traten unter seiner Begutachtung und bautechnischen Prüfung nicht vorhergesehene, geologische Probleme beim Bau des Tunnels für die S-Bahn am Hasenberg auf: Ein Tunnelabschnitt stürzte ein und musste notfallmäßige mitsamt der Tunnelbohrmaschine verfüllt werden. 6 Häuser wurden wegen Einsturzgefahr evakuiert.

„Am 26.Februar 1981 waren die Mineure mit dem Kalottenvortrieb 35m in das Gebirge eingedrungen, als einige Meter hinter der Ortsbrust ein Verbruch mit dem Versagen der Spritzbetonschale begann. Die Zerstörung der Schale hatte sich durch Knistern angekündigt, niemand wurde verletzt. Das allmählich nachbrechende Gestein verschüttete aber die Tunnelfräse. Sofort wurde versucht, den nicht eingebrochenen Tunnelabschnitt durch den Einbau starker Holzsprieße zu sichern. Trotzdem setzte sich der Verbruch während der Nacht zum 27.Februar gegen die Vortriebsrichtung und nach oben hin fort. Um eine Gefährdung der Wohngebäude am Bienenweg und der Baugrube des Bauloses 15 auszuschließen, wurden im Tag- und Nachteinsatz der durch den Verbruch entstandene Hohlraum und der restliche Tunnelabschnitt bis zum 28.Februar mit Beton verfüllt. Sechs vorsorglich geräumte Häuser konnten von den Bewohnern wieder bezogen werden.3″

Beim Verbruch des Tunnels an der Universität ist zusätzlich etwa 1/2 bis 2/3 des Tunnelquerschnittes von der Decke gekommen. Die Straße oberhalb des Tunnels setzte sich um etwa einen halben Meter.

Die Verbruchstelle oberhalb des Tunnelprofils wurde mit Spritzbeton verfüllt.

Und noch heute munkelt man davon, dass als Folge dieser Beinahe-Katasrophe Risse bei 2 Häusern auftraten.

Es beruhigt ungemein, dass uns dieser Herr Professor für S21 die Unbedenklichkeit bescheinigt hat. Lernten wir doch in der 6. Faktenschlichtung sinngemäß: Wassereintritte sind möglich, das Vohandensein eines Risikos kann aber nicht mit ja oder nein beantwortet werden. Und weiter:  „Sie (die Risiken) sind vorhanden, nur nicht bei unserem Projekt“.

Deshalb fordern wir weiterhin den Nachweis zu dieser „Unbedenklichkeit“ in einem unbefangenen, geotechnischen Gutachten. Die Bahn darf das Grundwassermanagement erst in Gang setzen, wenn sie die Gefahrlosigkeit für das Kernerviertel lückenlos nachweist.

Gleichzeitig bleibt weiterhin ebenfalls unklar welche Auswirkungen die 7. Planänderung des GWM für die verbleibenden Bäume in den Unteren Anlagen haben wird.

dan/

1. siehe:

20.11.2010 S21 Schlichtung, Teil 1 (von 08.45 bis 10.00 Uhr)

2. siehe:

http://www.giessener-zeitung.de/giessen/beitrag/41673/stuttgart-21-sumpf-imgeschlossenen-datenraum/

3. siehe:

Hrsg. Deutsche Bundesbahn, Bahndirektion Stuttgart. Autoren: Wolfgang Arnold et. al.: Der Tunnel: Verbindungsbahn der S-Bahn Stuttgart; Dokumentation ihrer Entstehung. Stuttgart, 1985. S.148 ff.

Weiterführender Link zu den Hangrutschungen am Kriegsberg

4 Kommentare

  1. Hier wäre noch der Abriss und Wiederaufbau der Oberpostdirektion am Bahnhof als Folge der durch Herrn Wittke begutachteten S-Bahnbauarbeiten zu erwähnen. Die Oberpostdirektion musste damals evakuiert werden und war derartig durch Senkungen beschädigt, dass nur Abriss und Wiederaufbau in Frage kamen.

  2. Beim Bau der Wendeschleife im Hasenberg (unterm Westbahnhof) gab es wohl einen Wassereinbruch. Ein natürlicher Ablauf zum Nesenbach wurde aufgebohrt. Bei Starkregen am Hang des Westbahnhofes kommt jetzt eine beschleunigte Wassermasse zum Nesenbach. Die Tunnelbohrmaschine war auch abgesoffen. Ob sie beschädigt war weiß ich leider nicht.

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