Resolutionen zu Blockupy 2013 von ver.di und den Protestforscher/innen gegen Polizeigewalt

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Solidarität mit den Blockupy-Protesten

blockupy_polizei


(Resolution beschlossen auf der ver.di-Bundesvertrauensleute-Konferenz in Berlin am 9.6.2013)

Der ver.di-Bundesvertrauensleute-Konferenz am 9.6.2013 solidarisiert sich mit den Demonstrantinnen und Demonstranten von Blockupy, die bei der Demonstration am vergangenen Samstag eingekesselt und Opfer von Polizeigewalt wurden. Wir verurteilen das Vorgehen der Polizei, die eine genehmigte Demonstration verhinderte, hunderte Demonstrantinnen und Demonstranten über mehrere Stunden in einem Polizeikessel festhielt und ohne Grund friedliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer angriff und zum Teil schwer verletzte. Unsere Kritik richtet sich besonders an die politisch Verantwortlichen und die Einsatzleitung. Deren Verhalten zielte darauf ab, unseren legitimen Protest zu kriminalisieren.

Die Blockupy-Aktionstage sollten nicht nur ein friedliches und entschlossenes Zeichen gegen die Krisenpolitik von EU, IWF, Europäischer Zentralbank und Bundesregierung setzen, sondern waren auch ein Protest gegen prekäre Beschäftigung, die Abwertung von Pflege- und Sorgearbeit, rassistische Abschiebepolitik und Wohnungsmangel. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, linken Parteien und Gruppen hatte zu den Protesttagen aufgerufen, darunter auch verschiedene ver.di-Gliederungen.

Für uns zeigen diese Vorkommnisse, dass es richtig war, zu Blockupy zu mobilisieren. Nicht nur, um gegen die Sparpolitik von EU, Europäischer Zentralbank, IWF und Bundesregierung zu demonstrieren. Denn deren Politik ist ein Angriff auf alle Beschäftigten: Eingriffe ins Streikrecht, Aufhebung der Tarifautonomie, Demokratieabbau und Lohnkürzungen sind die Folgen für die Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, Irland und anderswo. Sondern auch, weil wir gegen prekäre Arbeitsbedingungen, Demokratie- und Sozialabbau hier kämpfen wollen, im Betrieb, in der Dienststelle und auf der Straße.

Wir werden auch in Zukunft mit unseren Kollegen in den anderen Ländern gemeinsam für ein solidarisches Europa auf die Straße gehen. Im nächsten Jahr soll der Neubau der EZB in Frankfurt feierlich eröffnet werden. In 2014 werden wir uns mit noch mehr Gewerkschaftern an den Blockaden und Großdemonstrationen beteiligen. Es wird nicht gelingen, uns einzuschüchtern.

Eine Initiative von Protest- und Polizeiforscher/innen wendet sich in
einem offenen Brief an die Hessische Landesregierung, verurteilt die
Gewalt gegen die Blockupy-Demonstration in Frankfurt am vergangenen
Wochenende und fordert eine Untersuchung der Vorgänge. Mit dabei
nahmhafte Erstunterzeichner/innen aus vielen Ländern, unter anderem John
Holloway, Fritz Sack, Dieter Rucht, Roland Roth und viele mehr. Wir
freuen uns über Berichterstattung, Interviews usw.

Zum Aufruf: http://bit.ly/ZzZV6N

Presseanfragen und Kontakt:

Dr. phil. Dr. rer. med. Peter Ullrich, Institut für Protest- und
Bewegungsforschung & Zentrum für Antisemitismusforschung, Technische
Universität Berlin, ullrich@ztg.tu-berlin.de, 030-314-75664

 

blockupy-pfefferspray

Protest- und Polizeiforscher*innen empört über Polizeigewalt gegen Blockupy-Proteste

Wir sind äußerst beunruhigt über das Vorgehen der Polizei gegen die
Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main. Als
Protest- und/oder Polizeiforscher*innen haben wir die Entstehung der
aktuellen Krisenproteste intensiv verfolgt und sind vertraut mit
Erscheinungsformen und Dynamiken sozialer Proteste. Derzeit erleben wir
große gesellschaftliche Umbrüche, die als Währungs-, Wirtschafts- oder
Finanzkrise beschrieben werden. Gerade in solchen zentralen Fragen, wie
der Sozial-, Geld- und Wirtschaftspolitik bedarf es eines breiten
gesellschaftlichen Diskurses – und zu diesem gehören auch
Meinungsäußerungen durch Demonstrationen und Proteste. Immer häufiger
ist aber zu beobachten, dass von Seiten der Staatsmacht solche
demokratischen Prozesse unterbunden oder stark behindert werden.
Bereits im Jahr 2012 wurden die Blockupy-Proteste vor allem juristisch
behindert, wenngleich kaum eine der Maßnahmen nachträglich vor Gericht
Bestand hatte.
In diesem Jahr hat die Polizei die genehmigte Demonstration durch die
Einkesselung von über 900 Menschen, die bis zu neun Stunden ohne jede
Versorgung festgehalten wurden, willkürlich unterbunden. Während dieser
Zeit verletzten Einsatzkräfte die bereits eingekesselten
Demonstrant*innen, wissenschaftliche Beobachter*innen und
Journalist*innen u.a. durch Pfefferspray, Schläge und Tritte. In einer
ersten Zwischenbilanz berichten Sanitäter*innen von bis zu 300 Verletzten.
Der polizeiliche Umgang mit Protest ist – so zeigen Studien wie auch
Demonstrationsbeobachtungen von Bürger*innenrechtsgruppen – oftmals und
auch im konkreten Fall in Frankfurt von umfangreichen Auflagen
gekennzeichnet, die auf vagen, aber kriminalisierenden Gefahrenprognosen
beruhen. Daraus folgen massive Vorkontrollen, teils mit Festsetzung von
anfahrenden Bussen, zunehmende Videoüberwachung, einschüchterndes
Material- und Waffenaufgebot sowie enge, einschließende Begleitung von
Aufzügen. Solche und andere polizeiliche Maßnahmen wirken abschreckend
und schränken so die Demonstrationsfreiheit ein.
Die teilweise dramatischen Szenen aus Frankfurt zeigen eine nicht
hinnehmbare Eskalation. Aufgabe der Polizei in der BRD sollte es
eigentlich sein, Versammlungen zu schützen und nicht, diese zu behindern
oder gar zu bekämpfen. Wir sehen die aktuellen Entwicklungen eines
zunehmend repressiven und gewalttätigen Umgangs mit legitimen Protesten
mit großer Sorge und schließen uns den Forderungen einer umfänglichen
Untersuchung und Aufarbeitung der polizeilichen Übergriffe auf
Demonstrant*innen in Frankfurt an.

Jenseits des konkreten Falles in Frankfurt fordern wir:

  • die individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamt*innen, um
  • Gesetzesübertretungen verfolgen zu können,
  • die Schaffung (polizei-)unabhängiger Kontroll- und
  • Beschwerdeinstanzen zur Untersuchung solcher Vorfälle,
  • eine unabhängige Forschung zu sozialen Bewegungen, Protest und
  • staatlichem Umgang mit diesen Phänomenen.

Es gilt, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gegen Entwicklungen wie
in Frankfurt zu schützen! Gesellschaftliche Debatten dürfen nicht durch
polizeiliche Maßnahmen behindert werden!

 

Erstunterzeichnenden in alphabetischer Reihenfolge:

Stephan Adolphs, Dipl.-Pol., Institut für Soziologie,
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Dr. Knut Andresen, Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg
Dr. Dario Azzellini, JKU Linz, Austria
Jana Ballenthien, M.A., Soziologin, Justus-Liebig-Universität Gießen
David Bebnowski, Dipl.-Sozw., Politikwissenschaftler, Institut für
Demokratieforschung Göttingen
Prof. Dr. Bernd Belina, Institut für Humangeographie, Goethe-Universität
Frankfurt
Prof. Robert Benford, Chair Department of Sociology, University of South
Florida
Dr. Torsten Bewernitz, Politikwissenschaftler, Mannheim
Susanne Boehm, Historikerin, Hannover
Jan Bönkost, Medienkulturwissenschaftler und Mitarbeiter des Archivs für
soziale Bewegungen, Bremen
Michael Briguglio, Asst Lecturer, Sociology Department, University of Malta
Dr. Mario Candeias, Co-Direktor, Institut für Gesellschaftsanalyse, Rosa
Luxemburg-Stiftung
Dr. Carl Cassegard, Associate Professor, Dept. of Sociology, University
of Gothenburg
Robin Celikates, Associate Professor, Department of Philosophy
Vice-Director, Amsterdam, School for Cultural Analysis, University of
Amsterdam
Dr. Laurence Cox, National University of Ireland Maynooth
Prof. Dr. Helga Cremer-Schäfer, Institut für Sozialpädagogik und
Erwachsenenbildung,
Goethe-Universität Frankfurt
Dr. Laurence Davis, College Lecturer, Department of Government,
University College Cork, Ireland
Dr. Gunther Dietz, Professor für Interkulturelle Studien, Universidad
Veracruzana, Mexiko
Prof. Nicole Doerr, Assistant Professor of International Relations,
Mount Holyoke College, USA
Prof. Ricardo Dominguez, Associate Professor and Principal Investigator,
University of California, San Diego
Dr. David Featherstone, Senior Lecturer in Human Geography, University
of Glasgow
Dr. Luis A. Fernandez, Associate Professor, Criminology and Criminal
Justice, Northern Arizona University
Prof. Helena Flam, Ph.D., Soziologie, Universität Leipzig
Dr.  Cristina Flesher Fominaya, Department of Sociology, Ethics Officer,
School of Social Sciences, University of Aberdeen, United Kingdom
Dr. Annette  Freyberg-Inan, Associate Professor of Political Science,
Amsterdam  Institute for Social Science Research, University of Amsterdam
Barbara Fried, Leitende Redakteurin der Zeitschrift LuXemburg, Rosa
Luxemburg Stiftung, Berlin
Dr. Fabian Frenzel, Politikwissenschaftler, Universität Potsdam
Catherine Friedrich, PhD student, NUI Maynooth, Ireland
Peter Nikolaus Funke, Ph.D., Assistant Professor,  Department of
Government & International Affairs, University of  South Florida
Dr. Mischa Gabowitsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Einstein Forum,
Potsdam
Dr. Tatiana Golova, Soziologin, Otto-von-Guericke Universtität Magdeburg
Prof. Marlies Glasius, Chair in International Relations,  University of
Amsterdam, Special Peace Chair, Citizen Involvement in  Conflict and
Post-Conflict Situations, Free University of Amsterdam
Alexander Großmann, Politikwissenschaftler, Berlin
Sarah Graber Majchrzak (Berlin), Historikerin,
Europa-Universität-Viadrina, Frankfurt/ Oder
PD Dr. Rüdiger Haude, Historiker, RWTH Aachen
Dr. Christoph Haug, Soziologe, Universität Göteborg
PD Dr. Sebastian Haunss, Universität Bremen, SFB 597 – Staatlichkeit im
Wandel
Bernd Hüttner, Politikwissenschaftler, Referent für Zeitgeschichte der
Rosa Luxemburg Stiftung und Gründer des Archiv der sozialen Bewegungen,
Bremen
Daniel Häfner, M.A., Kulturwissenschaftler, BTU Cottbus
Ingmar Hagemann, Politikwissenschaftlicher, Universität Duisburg-Essen
Dr. Eva Maria Hinterhuber, Politikwissenschaftlerin, Berlin
Anke Hoffstadt, Historikerin, Düsseldorf
Prof.  Dr. John Holloway, Instituto de Ciencias Sociales y Humanidades
„Alfonso Vélez Pliego“, Benemérita Universidad Autónoma de Puebla
Puebla, Mexico
Dr. Christoph Jünke, Historiker, Fern-Universität Hagen
Dr. Jochen Kleres, Soziologe, Humboldt Universität zu Berlin/European
University Institute, Florenz
Andrea Kretschmann, Universität Bielefeld/Institut für Höhere Studien, Wien
Dr. Gregor Kritidis, Historiker, Hannover
Dr. phil. Leo Kühberger, Historiker, Graz
Nils Kumkar, Soziologe, Universität Leipzig
Dr. Conrad Kunze, Soziologe, Berlin
Prof. Dr. Christian Lahusen, Universität Siegen
Dietmar Lange, Historiker (Doktorand), Freie Universität Berlin
Dr. Darcy K. Leach, Assistant Professor, Department of Sociology and
Social Work, Bradley University
Ben Leeman, Former PhD student at Victoria University, Melbourne
Australia, Current student at OASES
Dr. Christiane Leidinger, freischaffende Politikwissenschaftlerin, Berlin
Alexander Leistner, Soziologe, Universität Leipzig
Prof. Dr. Tilman Lutz, Evangelische Hochschule Hamburg
Dr. Jörg Nowak, Political Scientist, Visiting Professor at Kassel
University, Germany
Dr. Oliver Leistert, Universität Paderborn
Miguel Ángel Martínez López, Dept. Of sociology 2, University
complutense of Madrid
Christiane Mende, Berlin
Prof. Dr. Ingrid Miethe, Justus-Liebig-Univesität Gießen
Daniel Mikecz, Politikwissenschaftler, Eötvös Loránd Universität, Budapest
Matthias Möller, Kulturwissenschaftler (Postdoc),
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Dr. Andrew Oppenheimer, Maastricht University
Lars Ostermeier, Dipl. Krim., Zentrum Technik und Gesellschaft, TU Berlin
Dr. Gottfried Oy, Sozialwissenschaftler, Frankfurt am Main
Andrea Pabst, M.A., Doktorandin an der Universität Trier
Professor Dr. Helge Peters, Universität Oldenburg
Dr. Andreas Pettenkofer, Max-Weber-Kolleg, Erfurt
Prof. Dr. Roland Roth, Institut für Protest- und Bewegungsforschung
Julia Roßhart, M.A., Doktorandin in den Gender Studies an der HU Berlin
Prof. Dr. Dieter Rucht, Institut für Protest- und Bewegungsforschung (i.G.)
Prof. Dr. Dr.h.c. Fritz Sack, Berlin
Prof. Dr. jur. Stephan Quensel, Grönwohld
Sebastian Scheele, Soziologe, Institut für Protest- und
Bewegungsforschung, TU Berlin
Dr. Regina Schleicher, Romanistin, Frankfurt am Main
Dr. Alexandra Schwell, Universität Wien
Dr. Katharina Stengel, Historikerin, Frankfurt am Main
Prof. Dr. Klaus Schönberger, Zürich
Dr. Christian Scholl (University of Louvain)
Uwe Sonnenberg, Historiker, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam
Wolfgang Stuppert, Doktorand, Berlin Graduate School of Social Sciences
Amber O ‚Sullivan, MA, Community Education, Equality and Social
Activism, Maynooth, Ireland
Dr. Anne Tittor, Center for Interamerican Studies, Universität Bielefeld
Dr. Dr. Peter Ullrich, Zentrum für Antisemitismusforschung/Institut für
Protest- und Bewegungsforschung, TU Berlin
Alex S. Vitale, Associate Professor, Department of Sociology, Brooklyn
College
Dip. – Pol. Viviana Uriona, Politikwissenschaftlerin (Doktorantin
Universität Potsdam)
Dipl.-Soz. Judith Vey, Institut für Protest- und Bewegunsforschung, TU
Berlin
Martin Wagener, PRFB Forscher  und Promotionsstudent in Soziologie,
Centre for interdisciplinary  research – Democracy, Institutions and
subjectivity
Dr. Karen Wagels, Kulturwissenschaftlerin, Kassel
PD Dr. Heike Walk, Institut für Protest- und Bewegungsforschung (i.G.),
Technische Universität Berlin
Dr. Peter Waterman, Institute of Social Studies (retired), The Hague
Netherlands
Dr. habil. Nils Zurawski, Institut für kriminologische Sozialforschung,
Uni Hamburg
Jens Zimmermann, Politikwissenschaftler, Duisburg

 

Dr. phil. Dr. rer. med. Peter Ullrich

Technische Universität Berlin
Zentrum Technik und Gesellschaft, Institut für Protest- und
Bewegungsforschung (i.G.) & Zentrum für Antisemitismusforschung

HBS 1, Hardenbergstr. 16-18, Zi. 4.15 | 10623 Berlin
Tel: +49-(0)30-314-75664 | Fax: +49-(0)30-314-26917

http://www.ztg.tu-berlin.de
http://protestinstitut.eu
http://zfa.kgw.tu-berlin.de
http://textrecycling.wordpress.com