Wir bauen ein Tiefbahn-Dings quer durch das Tal des Nesenbachs

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Titelbild

Abwasserkanal Basics

Neben dem Nesenbachkanal, dem größten Abwassersammler Stuttgarts, sind 4 weitere Kanäle von den S21-Maßnahmen betroffen: der unter der Konrad-Adenauer-Straße, der Cannstatter-Straße, der Lautenschlager-Straße und der Hauptsammler West von der Kriegsbergstraße her.

Sämtliche Abwasserkanäle der Innenstadt und dem Stuttgarter Westen sind somit von den Baumaßnahmen betroffen und werden für S21 umgelenkt. Der Hauptsammler West und der Kanal der Lautenschlager-Straße werden hierbei zusammengeführt.

Eines Tages sollen all diese Abwasserwege unter den Bahnhofstrog gequetscht werden und unter ihm hindurch, wieder rauf und um die Ecke führen.

Nicht zu vergessen: wir befinden uns mit dem Bahnhofstrog mitten in der (mittlerweile auf wundersame Weise verschobenen) Kernzone des Heilquellenschutzgebiets Stuttgarts1.

Katastrophen-Fall: Niederschlag

Immer, wenn es regnet.. Hierzu Volker Kefer 2011

« Sollte bei stärkeren Niederschlagsereignissen das Abwasserkanalsystem überlastet sein, erfolgt ein Einstau vor dem Trogbauwerk und der Ablauf in den Mittleren Schlossgarten über die Engstelle zwischen dem südlichen Bahnhofshallendachende und dem Zugang Staatsgalerie. Das Wasser folgt der Topographie und fließt am Planetarium vorbei durch den Schlossgarten in den Neckar. Eine Flutung des Bahnhofs muss in einem solchen Katastrophenfall durch mobile Hochwasserschutzmaßnahmen verhindert werden2. »

« Eine Flutung des Bahnhofs muss in einem solchen Katastrophenfall durch mobile Hochwasserschutzmaßnahmen verhindert werden »
Was genau ist unter mobilen Hochwasserschutzmaßnahmen zu verstehen? Sandsäcke?

Wer ist für die Durchführung verantwortlich? Die Bahn? Die Stuttgarter Feuerwehr?

Und wer trägt die entstehenden Kosten? Die Bahn? Die Stadt?

Und was, wenn in Stuttgart ein Gewitter aus heiterem Himmel aufkommt, wie es immer wieder passiert, oder ein Platzregen, wie es in diesem Jahr häufig der Fall war? – Ein ernsthaft sportlicher Plan, eine solche mobile Hochwasserschutzmaßnahme dann rechtzeitig hinzubekommen.. Möglicherweise ist, bis die Feuerwehr (oder wer auch immer) mit ihrer Arbeit anfangen kann, Stuttgart Tief bereits überschwemmt.

« Sollte bei stärkeren Niederschlagsereignissen das Abwasserkanalsystem überlastet sein, erfolgt ein Einstau vor dem Trogbauwerk und der Ablauf in den Mittleren Schlossgarten über die Engstelle zwischen dem südlichen Bahnhofshallendachende und dem Zugang Staatsgalerie. Das Wasser folgt der Topographie und fließt am Planetarium vorbei durch den Schlossgarten »

Das Wasser (und was sonst noch so in einem Abwasserkanal angeschwemmt wird) soll sich also laut offizieller Stellungnahme an der « Talsperre S21 » stauen und über einen schmalen, künstlichen Ablauf abfließen.

Der « Damm » bietet ganz genau einen einzigen Weg für das überschüssige Wasser. Dieser Ablauf könnte schnell zu einem « Flüssle » werden. Die aktuelle Bauarbeiten am Nesenbachkanal für das « Dorotheen » lassen ein solches Szenario gut erahnen:

urban_staeffele
Foto via @urban_staeffele
Marie_Laveau
Foto via @Marie_Laveau
banane0711
Foto via @banane0711

 

Interessant wäre zu wissen, wie hoch sich das Wasser vor dem Trogbauwerk stauen lässt.

Denn sollte das Wasser nicht « da drin » bleiben, ist es abhängig von seiner Flussrichtung, ob es möglicherweise in den Haltepunkt Stuttgart Tief läuft, oder die Stadtbahntunnel flutet. Was in den sogenannten Bahnhof eindringt, wird dort dem Gefälle folgen. Ob in gegebenem Fall die Klett-Passage ebenfalls volllaufen könnte, wird der Praxis-Test zeigen.

Und wie wir wissen, liegt der tiefste Punkt Stuttgarts auf der Schillerstraße im Bereich des Stegs über die Straße. Warum sollte sich das Wasser nicht dorthin seinen Weg suchen?

Betont sei an dieser Stelle nochmals, dass das Wasser, das da möglicherweise irgendwohin überläuft und laut Bahn durch den Park schwappen soll, kein Oberflächenwasser aus irgendeinem übergelaufenen Regenrückhaltebecken, sondern ungeklärtes Abwasser wäre!

Kapazitätsengpass als S21 Grundprinzip

Bei Hochwasserereignissen reichen der Düker ebenso wie der Nesenbach nicht aus. Bei einem zu vollen Kanal wird zwangsläufig Wasser aus der Kanalisation gedrückt. Das zusätzliche Wasser muss an der Oberfläche ablaufen können, was nach dem Bau des schrägen Halbtief-Bahnhofsdachs de Fakto nicht mehr möglich ist.

Bereits heute, wo das Wasser noch in den ehemaligen Mittleren und Unteren Schlossgarten abfließen kann, kommt es immer wieder vor, dass die Schillerstraße überschwemmt ist. Die ablaufende Menge ist zu groß und der Nesenbach kann die Wassermenge nicht fassen.

Mit S21 wird die Willy-Brandt-Straße zusammen mit der Stadtbahn höher gelegt. Hinter dem tiefsten Punkt der Schillerstraße wird das Tiefbahn-Dings, mit seinen – nicht der EU-Norm entsprechenden – 15% Gefälle, in die Höhe ragen.

Die oberirdische Abflussmöglichkeit wird durch S21 somit unterbrochen.

duker_bahnprojekt_stuttgart_ulm
Stark vereinfachte Grafik via http://www.direktzu.de/upload_platform/db_files/attachments/73a6102c507db5870981ac6814fc929e/20788/duker_bahnprojekt_stuttgart_ulm.jpg

Dass der Nesenbachdüker in seinem Querschnitt deutlich verringert wird, und zwar war von einem Querschnitt von 7 x 3,6m auf 5.2m x 3.6m an der Schillerstrasse und 5.2m x 4.4m am Neckartor, tut sein übriges um die Kapazitäten der Abwasserkanäle möglichst gering zu halten3.

Auch die Umleitung der anderen Abwassersammler und die Änderung derer Querschnitte wird mit S21 nötig: Der Abwasser-Hauptsammler Cannstatter Straße entlang dem abgerissenen Südflügel, der die Bereiche Königstraße und Schillerstraße entwässert, soll durch ein Rohr ersetzt werden, dessen Durchmesser nur noch 88 % des Status Quo beträgt.

Der Sammler Lautenschlager Straße wird in seinem Durchmesser von 1000mm auf 900mm reduziert und um mehrere 90 Grad Ecken geführt, und muss zusätzlich noch durch einen noch zu bauenden Düker. Der Sammler Heilbronner Straße soll (wegen Platzmangels) durch einen Düker mit senkrechtem Steigrohr, das staut so richtig.

Vielleicht ist das ja alles total harmlos, weil die Bahn dieses Szenario schon detailliert betrachtet und in ihren Planungen entsprechende Maßnahmen vorgesehen hat – eine Disziplin in der die Bahn ja bei S21 schon mehrfach glänzte. Getreu dem Motto: « Was wir tun, wenn es nicht klappt, sehen wir dann, wenn es nicht klappt, das klappt immer. »

3vgl.: Erläuterungsbericht III zu PFA1.1. S.183, Kapitel 3.5.3.

in Anlehnung an: http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?113,6507255,page=all