(Ein Gastartikel von Dipl. Ing. Jochen Schwarz)
Bei den blauen Rohren, die da kreuz und quer durch Stuttgart verlegt werden, kann man sicher mal die Übersicht verlieren. Das gilt jedoch nicht, wenn es sich um eine Bauaufsicht oder um eine Planfeststellungsbehörde handelt. Ganz kritisch wird es, wenn diese beiden Aufgaben auch noch in einer Behörde gebündelt sind: dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Auf die zahlreichen Beschwerden gegen das illegale Verlegen von Rohren und Errichten von Anlagen für das Grundwassermanagement wurden am 26.4. standardisierte Antwortbriefe erstellt und versendet. So kurz, wie frech: wir haben keine Hinweise.
Und wohl nicht ganz zufällig gibt an jenem Tag das Desinformationsbüro der Bahn bekannt, dass man im Sommer mit der Inbetriebnahme des GWM beginnen will – vorzeitig, auf der Basis der 5. Planänderungsgenehmigung. Auch diese Aussage, dass doch alles genehmigt sei, die hinschauenden Bürger offenbar zu blöd sind, ist in dem Antwortschreiben des EBA enthalten. So funktionieren Abstimmungen auf dem kurzen Dienstweg. Schon das Verkehrsministerium versuchte sich in einer ersten Antwort mit dieser Ausrede, bevor dann eingeräumt werden musste … „Sie haben Recht“.
So gebündelt, wie die Rohre in der Landschaft, so stellt sich auch die Phalanx der Projektbetreiber dar: Bauaufsicht, Genehmigungsbehörde, Anhörungsbehörde, Vorhabensträgerin und das geldgebende, kritisch begleitende, Verkehrsministerium leugnen sich die Welt korrekt. Und wenn es argumentativ nicht mehr weiter geht, wird auf eine obskure Projektförderpflicht verwiesen, die ein Einschreiten gegen die Schwarzbauten unmöglich mache. Wenn man sich in Erinnerung ruft, wer alles auf dem Plan war, als es um angeblich verbotene Aufstellen von Zelten im Mittleren Schlossgarten ging, muss man sich doch wundern, dass das ungenehmigte Errichten baulicher Anlagen im Rosensteinpark legal sein soll.
Natur- und Artenschutz gucken in die Röhre, oder wie?
Man könnte noch sagen, es war nicht anders zu erwarten. Dass der BUND jedoch mitteilt, „Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir noch keine ausreichende fachliche und rechtliche Basis für eine weitere Klage.“ ist doch sehr verwunderlich. Man wartet auf Antworten vom EBA und vom MVI. „Wir werden nach Eingang der Antworten zur Aufklärung der Sachlage die Situation abschließend bewerten und über unsere weitere Strategie entscheiden, wozu dann auch eine Prüfung möglicher juristischer Schritte gehört.„, so Frau Dr. Dahlbender. Nur was soll das EBA antworten, wo es doch keine Hinweise hat? Welche Einschätzung erwartet man vom MVI, dem es nach neuester Antwort zu kompliziert ist, zwischen 5. und 7. Planänderung zu unterscheiden, und deshalb ans EBA verweist?
Das Baustopp-Urteil des VGH wurde erlassen, weil man den BUND nicht an der 5. Planänderung beteiligt hatte. Damals, am 16.12.2011 hieß es vom BUND noch: „Heute ist ein guter Tag für den Natur- und Artenschutz in Deutschland. Es ist nun erwiesen: Der Artenschutz ist in Deutschland kein überflüssiger Luxus, kein zweitrangiges Recht, das Bauherren nur dann einhalten müssen, wenn es ihnen gerade passt.”
Im Rahmen der 7. Planänderung (u.a.) ist nun sogar die Öffentlichkeit beteiligt worden. Trotzdem wird ignorant gebaut, was den Bauherren und ihren Knechten passt. Für den Luxus eines gesetzlich geregelten Verfahrens hat die Bahn weder Zeit noch Geld. Der klageberechtigte Naturschutzverband begnügt sich mit verwelkenden Lorbeerkränzen, der Regierungs- und Verwaltungsapparat kastriert sich mit einer Projektförderpflicht. Der „gute Tag“ ist offenbar einer langen Nacht gewichen.
Die technischen Verstöße
Die Verlegung von Rohren, die nicht der Genehmigungslage entsprechen, ist eindeutig nachgewiesen:
- Im PFA 1.1 liegen bereits Teile der zusätzlichen Überschussleitung, Teile der neuen Verbundleitung und durchgängig die vergrößerte Überschussleitung zum Neckar. Hinzu kommen die nicht genehmigten Auslassstutzen in der Platanenallee und am Portal des Rosensteintunnels, der sogar schon benutzt wurde und eine Verschmutzung der Umwelt verursachte.
- Im PFA 1.5 liegt durchgängig die Infiltrationsleitung in DN150, was als Änderung/Vergrößerung in den Unterlagen gekennzeichnet ist. Gegenüber der ursprünglichen Planung wurde auf 50% der Infiltrationsbrunnen verzichtet. Das ist aus der beantragten Vervierfachung des Überschusswassers auch plausibel abzuleiten. Die Infiltrationsleitung zu den Brunnen im Abstellbahnhof ist dicker, als in den Plänen bezeichnet. Der Infiltrationsbrunnen 116 wurde an den erst beantragten Standort verlegt. Die neue Verbundleitung liegt bereits sowohl auf der Böschung, als auch auf den Rohrbrücken. Die Stützen der Verbundleitung am Boden wurden durchgängig aufgebaut.
Und halten wir fest: das alles betrifft etwa 1,5 Kilometer in einem Landschaftsschutzgebiet, das unter die FFH-Richtlinie fällt.
Zusammenfassend liegt der Verdacht nahe, dass auch weitere Leitungen bereits im Vorgriff gebaut wurden. Den PFA 1.6a hat keiner von uns untersucht. An die Leitungen im MSG kommen wir nicht heran. Deshalb muss nicht nur ein Baustopp verlangt werden, sondern auch eine unabhängige Gesamtbegutachtung.
Die Wasserbehandlungsanlage im Abstellbahnhof entspricht der textlichen und planerischen Beschreibung der Antragsunterlagen zur Planänderung. Offenbar gab es bisher nur ein Ablaufschema zu der Anlage. Im genehmigten Zustand sollte innerhalb einer kompakten Filterung durch Steuerventile zwischen der Aufbereitung von Infiltrationswasser und Überschusswasser umgeschaltet werden. Im Änderungsverfahren wurden daraus zwei getrennte, parallel zu betreibende Aufbereitungsstraßen. Die Dimensionierung lässt ebenfalls den Schluss zu, dass hier bereits im Vorgriff gebaut wurde. Auch das muss unabhängig geprüft werden. Die Anlage darf nicht in Betrieb genommen werden.
Der ungeprüfte Natur- und Artenschutz
Erstmalig liegt den Antragsunterlagen ein artenschutzrechtliches Gutachten der GÖG bei. Im Tenor behaupten die Gutachter, es handele sich um einen minder schweren Eingriff. Allerdings weichen die mit Fotos beschriebenen Details der Trasse vom nun real gebauten Zustand ab (die Rohre liegen z.B. durchgängig im Grünstreifen und nicht auf dem Fußweg). Es wurden Erdarbeiten und Betonierung notwendig.
Die Aussage im Gutachten, es seien keine geschützten Arten betroffen, scheint durch die Funde von Juchtenkäfern in diesem Bereich widerlegt. Der Lebensraum von Eidechsen an der Ehmannstraße wird als ungeeignet abqualifiziert. Erstaunlich ist in dem Zusammenhang, dass sich im Bereich des Abstellbahnhofs Schutzzäune gegen/für Reptilien befinden, die im Gutachten nicht erwähnt werden. Das Gutachten bietet also reichlich Punkte, die zur Abarbeitung einer Gegenmeinung im Rahmen der Erörterung zwingen. Das ist durch die vorzeitige Realisierung, wie schon bei der 5. Planänderung, nur noch im Nachgang möglich. Es handelt sich in diesem Fall quasi um eine Wiederholungstat.
Sollten zwischen Ehmannstraße und Rosensteinpark, wie die Bahn selbst schreibt, tatsächlich seit letztem Herbst Juchtenkäfer nachgewiesen sein, so wurde durch die Rodungen für die Verlegung der Ehmannstraße auch deren Lebensraum /–umfeld entwertet. Auch wenn diese Rodungen einer anderen Planung zuzuordnen sind, so stehen sie eben doch im Zusammenhang mit den unzureichenden Aussagen im Gutachten.
Einige Kritikpunkte im laufenden, öffentlichen Verfahren
Neben der grundsätzlichen Kritik an der Verdoppelung der Pumpmengen und der Bewertung resultierender Risiken, gibt es auch konkrete Punkte im Zusammenhang mit den Rohren.
In dem gesamten Änderungsverfahren ist das Material der Infiltrationsleitung strittig. In beiden Planabschnitten sind Infiltrationsrohre aus HD-PE vorgesehen gewesen. Der Eintrag von Metallen in das Grundwasser stellt eine Verschmutzung des Wassers dar und führt zu einer Veränderung der physikalischen Eigenschaften der Bodenschichten.
Die Reduktion der Infiltrationsbrunnen, hin zu größeren Abpumpmengen, muss ebenfalls erst erörtert werden. Auch Teile des Rosensteinparks wurden vom Gutachter Bodo Siegert, als von der Absenkung des Wasserstandes betroffen, identifiziert. Dessen Aussagen zu diesen Sachverhalten sind bisher ungeprüft.
Die ignorante Umsetzung der beantragten Baumaßnahmen entwertet das laufende Anhörungsverfahren. Wie man unter diesen Voraussetzungen eine ordnungsgemäße Erörterung der Einsprüche durchführen will, ist doch sehr fraglich. Aber frühestens auf der Basis der Erörterung wäre das EBA berechtigt, Teilgenehmigungen zu erlassen.
Entröhrt Euch!
Inzwischen wird kolportiert, dass das Grundwassermanagement am 26.8.2013 in Betrieb gehen soll. Das ist nicht mehr viel Zeit. Erinnern wir uns, dass auch der Eilantrag gegen die 5. Planänderung durch einen angeordneten Sofortvollzug durch das EBA zunächst ausgebremst wurde. Es bleibt uns gar nichts anderes, als nachhaltig den Leuten auf den Füßen zu stehen, die sich zurzeit in die Unverantwortlichkeit beurlauben.
Und bevor nun alle eine blaue Brille aufhaben, folgen hier noch weitere Fotos, die man gern verwenden kann, um konkret nachzufragen, wo in den bestehenden Unterlagen eine dargestellte Bauweise dem Genehmigungsstand entspricht. Und was meint eigentlich das Staatsministerium zu diesem Umgang mit der Bürgerbeteiligung, die doch der Regierung so am Herzen liegt. Was denkt das Finanzministerium, das den Rosensteinpark verwaltet, über die Schwarzbauten auf den eigenen Grundstücken? Immerhin handelt es sich um öffentliche Wege und Wiesenflächen, auf denen der Schrott rumsteht.
Die zahlreichen Beschwerden beim RP, dem EBA und dem MVI zeigen immerhin Wirkung und veranlassen zu völlig unglaubwürdigen Aussagen. Es kann nicht schaden, wenn sich Gegenspieler der Lächerlichkeit preis geben müssen. Eine „Projektförderpflicht“, die zur Aufgabe staatlicher und gesetzlicher Handlungen führt, zerstört die demokratische Gesellschaft und den Rechtsstaat.
Schöne Hinweise aus Stuttgart
Weitere freundliche Postkartenmotive aus den Planfeststellungsabschnitten 1.1 und 1.5
Jochen Schwarz
Leider (noch) nicht genügend Hinweise:
Dokumentationen (sollten beim RP und EBA bekannt sein):
1. Dokumentation mit Schwerpunkt PFA 1.5 (J.Schwarz)
2. Dokumentation mit Schwerpunkt PFA 1.1 (Ingenieure22)
Artikel zum Thema:
15.4.13: Blaue Rohre – schwarze Rohre
17.4.13: Bahn lässt ungenehmigte Rohre verlegen
19.4.13: Bahn ignoriert Planfeststellungsverfahren zum GWM
24.4.13: Ganz einfach ausgedrückt, Sie haben Recht
04.05.13 – LoB
Tolle Recherche! Da wird sich Dementerich wieder was einfallen lassen müssen.
Die Wortwahl unter den Bildern könnte jedoch geschickter sein, finde ich. Statt all der Hinweise auf die 7. Planänderung und mehreren „noch“s würde ich einfach die Wahrheit schreiben: das ist nicht genehmigt.
Es zählt allein die Gegenwart. Was die Zukunft bringt, wissen die Götter. Insbesondere bei einer Planänderung mit über 10.000 Einsprüchen.
Ich antworte im Prinzip auf diejenigen, die behaupten, es lägen ihnen keine Hinweise vor. Beamtete Funktionsträger, die ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen wollen. Sie verstecken sich hinter einem Plangewurschtel, das die Bahn selbst angerichtet hat, das diese Beamten trotzdem genehmigt haben. Der Planfeststellungsbeschluss hätte auf der mangelhaften Basis nie ergehen dürfen. Wie können sich Fachleute um 125% Grundwasserandrang verrechnen?
10.000 Einsprüche allein reichen nicht. Das EBA und die Bahn scheinen jedenfalls wild entschlossen, den Röhrenquark schon bald anschalten zu wollen.
Danke Jochen für diese Arbeit ! – Respekt ! – Werde das Material zur Verbreitung nutzen – und natürlich zur Beschwerde bei den Behörden.
Klasse! Danke für diese hervorragende Arbeit! Dann braucht man nur noch diesen Link ans EBA, RP, MVI, BUND, Kretschmann, Schmid etc. etc. schicken.
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