Ein Kommentar von „Zwuckelmann“ zur 202. Montagsdemo
Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat entschieden, dass die Montagsdemos nach 200 Malen zu sehr stören und nicht mehr auf der Schillerstraße stattfinden dürfen. Die Demo würde zu viele Autofahrer an ihrer freien Fahrt (?) durch Stuttgart und zu viele Bürger am Konsum in den Einzelhandelsgeschäften hindern. Stattdessen sollte die Demo auf der Lautenschlagerstraße stattfinden, einem kleinen Nebensträßchen.
Viele Menschen, im Übrigen nicht nur Gegner des Immobilienprojekts Stuttgart 21, hat das Urteil des VGH überrascht, stellt es doch die Belange des Straßenverkehrs über das Grundgesetz und höhlt dieses mit höchst zweifelhaften, subjektiven Zahlenvergleichen des Klägers aus. Und so war es nahezu vorhersehbar, dass sich die Demonstranten nicht an das Verbot halten würden.
Pünktlich um 18 Uhr stellten sich die ersten Demonstranten auf den verbotenen Versammlungsort, die Schillerstraße. Innerhalb weniger Minuten standen nahezu sämtliche der 3.000 Demonstranten nicht mehr in der Lautenschlagerstraße, sondern wie gewohnt auf der Schillerstraße. Nach einer Viertel Stunde zog der Zug dann durch die Schillerstraße zur Theodor-Heuss-Straße und diese aufwärts Richtung Rotebühlplatz. An der Büchsenstraße versuchte die Polizei den Demonstrationszug zum Kronprinzplatz zu leiten. Die Demonstration stockte und schließlich blieben ca. 100 Demonstranten auf der Theodor-Heuss-Straße stehen, die beidseitig gesperrt war. Erst nach weit über einer halben Stunde machte die Polizei die Straße wieder frei.
Diese Demonstration verursachte Stau! Diese Demonstration sollte aber auch Stau verursachen, war sie doch ein Aufschrei der Bürger gegen das VGH-Urteil und die unreflektierte, unkommentierte und absolut unkritische Berichterstattung darüber in den Stuttgarter Zeitungen. Diese Reaktion war richtig und wichtig und zeigte wieder einmal, wie selbstbewusst die Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 ihre Grundrechte einfordert.
Vielleicht musste Carola Eckstein das als Versammlungsleiterin sagen, vielleicht entspringt es aber auch der Ferne einiger “Prominenter” von der Basis der Bürgerbewegung auf der Straße, wenn sie den Zeitungsreportern sagt, die Spontandemonstration auf der Schillerstraße und die Route über die Theodor-Heuss-Straße wäre deshalb entstanden, weil die Demonstranten nichts über das VGH-Urteil wussten und deshalb einfach wieder wie gewohnt auf der Schillerstraße standen. Nein, liebe Carola, das ist wirklich großer Schmarrn. Die Spontandemonstration war ein bewusstes, kalkuliertes und wichtiges zivilgesellschaftliches Zeichen mehrerer Tausend Bürger gegen ein nicht akzeptables Gerichtsurteil! Es sollte übrigens auch den Veranstaltern der Montagsdemos und dem Demoteam zu denken geben. Denn auch eine autoritäre, einseitig vereinbarte Verlegung der Demo auf den Marktplatz wird nicht akzeptiert werden, bevor es nicht eine grundlegende Diskussion und basisdemokratische Entscheidung darüber in der Bürgerbewegung gegeben hat.
Natürlich rechnen wir damit, dass wir von den Stuttgarter Medien entweder ignoriert oder zerrissen werden wegen dieser wehrhaften Spontandemonstration. Wäre jedoch die Tonalität der Presseberichte unsere Richtschnur, hätte es den Protest gar nie geben dürfen. Insofern sollten wir uns von den aktuellen, ganz gezielten und offensichtlich wieder bewusst konzertierten Versuchen, die Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 zu desavouieren und die Stuttgarter Bürgerschaft noch mehr zu spalten, nicht einschüchtern lassen.
Neben dem vom grünen OB gedeckten schwarzen Ordnungsbürgermeister, einer der Politik ganz offensichtlich willfährigen Justiz und der medialen negativen Berichterstattung ist es aktuell vor allem auch die Polizei, die den Widerstand zu kompromittieren versucht: Auffällig war, mit wie wenig Kräften die Polizei vor Ort war. Dabei war der Polizei natürlich klar, dass an diesem Montag eine Spontandemonstration mit wesentlich mehr Teilnehmern stattfinden würde. Ob die Polizei nun besonders besonnen agierte oder ob sie bewusst eine besonders lange Verkehrsbehinderung herbeiführen wollte, lässt sich mit Bestimmtheit nicht sagen. In der Zusammenschau mit dem Einsatz in der Nacht von Donnerstag auf Freitag vergangener Woche, in der weit über 500 Polizisten mit zwei Gefangenentransportern in einem abgelegenen Gewerbegebiet gegen kaum 150 friedliche Demonstranten eingesetzt wurden, zeichnet die Polizei ein ganz bestimmtes Bild der Bürgerbewegung und ihres zivilgesellschaftlichen Engagements – das dankbar von der Presse aufgenommen wird. Aber auch das haben wir in der Vergangenheit bereits häufiger erlebt. Einschüchtern lassen wir uns davon nicht.
Oben bleiben!
tem – 17.12.13
Danke
„….einer der Politik ganz offensichtlich willfährigen Justiz…“ Man schuldet sich eben auf ewig etwas, denn gleich zu Beginn dieser Republik hat Herr Adenauer nicht nur den gesamten Justizapparat bruchlos aus braunen Zeiten übernommen.
Wie jeder weiss, werden Beamte von ihren Vorgesetzten beurteilt. Und von dieser Beurteilung hängt eben die Kariere ab. Und da bemüht man sich eben richtig. Das wirkt bis heute nach. Ein sehr guter Abriss zur geistigen Provenienz dieses Justizsystems war in der StZ nachzulesen, hier http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.auschwitz-prozesse-deutsche-rechtsprechung.2f5a642d-7e39-42e4-883d-83b01853022a.html
Wahrscheinlich hat es ziemlich schnell Proteste seitens der „Widerstandskämpfer“ in 2. Generation gegeben, weil dieser wirklich gute historische Abriss so schnell wieder von der site der StZ verschwand.
Das schöne an der Geschichte der ehemaligen DDR war, dass selbst jene, die nur durch das Jura-Studium ihre Absicht gezeigt hatten, einmal diesem System dienen zu wollen, gerade noch gut für eine Strassenkehrer- oder Jauchengrubeleerertätigkeit waren.
Hier war es eben anders. Man war unverzichtbar, man war sofort wieder wer und ein Herr Freisler, so das Versorgungsamt München einmal als Äusserung zur Erklärung zur Höhe der Pension von dessen Witwe, hätte auch in unserem Staat mit Sicherheit Kariere gemacht. Wie war!
Ich habe heute Abend an der Mahnwache das Büchelchen „Politische Justiz in unserem Land“ für einen Freund zu Weihnachten gekauft, der auch Opfer der politischen Justiz im Zusammenhang mit kommunalen Dingen wurde und der noch nicht so ganz versteht, warum das so ist und nicht anders, dass die Gerichte eben doch im Ansehen der Person urteilen.
Und abschliessend: eine Verfassungsinstitution wie der VGH Mannheim, der ungeschminkte Betrugsurteile wie das zur Leistungsfähigkeit von S21 aus dem Jahre 2006 erwirkt und jetzt verfassungsrechtlich Bedenkliches zum Versammlungsort von sich gibt, die hat zu recht jede Achtung des Bürgers in Folge verspielt. Dem Bürger wurde von dort unmissverständlich signalisiert, dass er seine Anliegen wieder zu seinen eigenen machen muss. Das wurde heute abend getan.
[…] Für die, die nicht dabei sein konnten oder die wie ich nur Bruchstücke der Reden hören konnten, gibt es natürlich Videos: http://www.parkschuetzer.de/statements/166321 Eine andere Sicht als die meine hat Zwuckelmann: https://cams21.de/kommentar-stuttgart-21-buerger-pfeifen-auf-den-vgh/ […]
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