Warum Stuttgart 21 nicht kommen darf! Argumentensammlung in 12 Thesen

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von Jürgen Schwab/Stand 20.Oktober 2011
Inhalt:
I. Vorbemerkung
II. 12 Thesen
III. Nachdenkliches
IV. Fazit, Kompromißlinien und guter Rat
V. Nachwort zur Volksabstimmung am 27.11.2011
I. Vorbemerkung.
„Stuttgart 21 ist nicht das best geplante und kalkulierte Bahnprojekt, sondern ein
falsches Konzept für die Region Stuttgart, mit entscheidenden Nachteilen, großen
Risiken und immenser Geldverschwendung“.
 
Einst drohte der ehemalige CDU-Ministerpräsident Filbinger, das Licht würde ausgehen, falls es nicht
zum Bau des Atomkraftwerks Wyhl käme. Was erreichte er damit? Etwas für ihn völlig Unerwartetes
wurde geboren, nämlich die neue Partei der „Grünen“. Das was Filbinger eigentlich bezweckte, die
Durchsetzung des Atomkraftwerkes Wyhl, mißlang ihm gründlich. Wiederholt sich die Geschichte rund
30 Jahre später?
 
Der vorerst letzte Ministerpräsident der CDU, Stefan Mappus, versuchte buchstäblich mit aller Gewalt das
Projekt Stuttgart 21 durchzudrücken (wir erinnern uns an den Polizeieinsatz vom 30.9.2010 im
Mittleren Schloßgarten, bekannt als „schwarzer Donnerstag“). Gleichzeitig betrieb Stefan Mappus in
vorderster Front eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Das Ergebnis dieser Politik hat
europaweit Aufsehen erregt: die durch Wyhl entstandenen Grünen werden stärkste Regierungspartei, ein
grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg wurde am 12. Mai 2011 gewählt, aber die
Laufzeitverlängerung der AKWs ist vom Tisch. Stuttgart 21 ist womöglich dem Friedhof für ungeliebte
Großprojekte wie Kalkar, Wackersdorf, Wyhl oder Transrapid sehr nahe gekommen.
 
 
Warum S 21 hoffentlich doch noch kippt und weshalb es auf gar keinen Fall gebaut werden darf, soll die
folgende Argumentensammlung aufzeigen. Diese Zusammenstellung entstand -unabhängig vom
Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21- durch die Lektüre von Fachzeitschriften und Fachliteratur, aber auch
durch intensive Gespräche mit aktiven und ehemaligen Mitarbeitern der Deutschen Bahn, die den Betrieb
von innen heraus kennen und schließlich durch eigene, fachübergreifende Überlegungen des Verfassers.
Die hier zusammengestellten Fakten unterstützen das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, das sich
unschätzbare Verdienste für die Aufklärung einer durch steuergeldfinanzierte Propaganda verunsicherten
Öffentlichkeit erworben hat.
Vorab die vier wichtigsten Argumente dieses Papiers gegen Stuttgart 21 in Kürze.
a) Der sogenannte integrale Taktfahrplan, der Fahrplan der Zukunft, wird durch S 21 unmöglich,
würde aber zwanglos bereits im unrenovierten Kopfbahnhof funktionieren. (Vgl. dazu die geniale
Untersuchung „…Nullknoten ist möglich“… von Professor Dr.Wolfgang Hesse, München, publiziert in
der „Eisenbahn Revue international“ 3/2011) Durch Stuttgart 21 werden wir also abgehängt, nicht
jedoch durch die Beibehaltung des Kopfbahnhofes. Es ist demnach genau andersherum, wie die ständigen
Beteuerungen von CDU/FDP/SPD und IHK suggerieren, denn der Fernverkehr in Form von TGV und
ICE fährt den Stuttgarter Bahnhof immer an, egal ob Durchgangs- oder Kopfbahnhof: gestern, heute und
morgen.
 
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b) Der geplante Tiefbahnhof wird 270% der Strommenge verbrauchen gegenüber dem jetzigen größeren
Kopfbahnhof. Diese Energieverschwendung ist nach Fukushima als absolutes k.o. Kriterium zu
werten!
c) Das weitgehend kriegszerstörte Stuttgart verlöre mit dem zerschnittenen Schloßgarten und den
vernichteten Baudenkmalen weitere entscheidende historische Bezugspunkte.
d) Die für Stuttgart 21 eingesetzten finanziellen Mitteln übersteigen jedes rationale Maß. Würde man mit
demselben Standard das gesamte deutsche Bahnnetz renovieren wollen, wäre der absolute Staatsbankrott
die unweigerliche Folge. Gleichzeitig verschlechtert Stuttgart 21 den Großknoten Stuttgart in signifikanter
Weise. Es verkürzen sich zwar einige Fahrzeiten; viele aber werden deutlich länger. Vor allem die
Umsteigezeiten werden durch Stuttgart 21 wesentlich ungünstiger. Die Vernichtung großer
Teile der vorhandenen Bahninfrastruktur zugunsten einer nur noch 8-gleisigen U-Haltestelle nimmt
dem Bahnknoten Stuttgart jedes Entwicklungspotenzial für die Zukunft. Gleichzeitig erzeugt
Stuttgart 21 ein verspätungsanfälliges Nadelöhr. Diese Meinung vertritt sogar eine Bundesbehörde, das
Bundesumweltamt.
Ich möchte in meinem Papier nicht alle Argumente gegen Stuttgart 21 nennen, die Broschüre „K 21, die
Alternative zu Stuttgart 21“ des Aktionsbündnisses bietet eine umfassendere Dokumentation zu allen
entscheidenden Themenbereichen (Fahrplan, Mineralwasser, Architektur, Demokratie, usw.). Vorliegendes
Papier betont einige Facetten besonders bzw. arbeitet zusätzliche wesentliche Punkte heraus.
 
Im einzelnen werden 12 Thesen aufgestellt:
1. Wir werden durch S 21 abgehängt, weil der Fahrplan der Zukunft, der „Deutschlandtakt“
durch S 21 ausgeschlossen ist!
2. Der Service der Bahn und die Qualität des Fern-, Nah- und Regionalverkehrs leiden durch
Stuttgart 21.
3. Die deutsche Variante des Hochgeschwindigkeitsverkehrs ist extrem energiefressend und
mithin umweltfeindlich.
4. Stuttgart 21 wirkt als unbewußtes oder bewußtes Hemmnis gegen private Wettbewerber der
Deutschen Bahn.
5. Stuttgart 21 wirkt sich zumindest in der Bauphase negativ auf die Stuttgarter Straßenbahnen
aus.
6. Stuttgart 21 verschlechtert massiv die gesamte Zulaufstreckensituation in der Region.
7. Die Bahnhofsgestaltung bei Stuttgart 21 hat negative Konsequenzen für den Betrieb und für
viele Verbindungen in die Peripherie des Landes.
8. Es gibt keine Kostenwahrheit bei Stuttgart 21/Beispiel S 60.
9. Die Entscheidungszeiträume bei Stuttgart 21 waren bewußt kurz bemessen, um das Projekt
möglichst geräuschlos durchzudrücken.
10. Die sogenannte Flughafenanbindung bei Stuttgart 21 ist als durchsichtige Propaganda zu
werten.
11. In anderen Ländern werden große Kopfbahnhöfe renoviert und allenfalls durch zusätzliche
kleine Tiefbahnhöfe ergänzt.
12. Die durch die IGA 1993 geschaffene Vernetzung der Stuttgarter Parks wird durch Stuttgart
21 konterkariert
 
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II. Die einzelnen Thesen
1.These:
Wir werden durch S 21 abgehängt, weil der Fahrplan der
Zukunft, der „Deutschlandtakt“ durch S 21 ausgeschlossen ist!
Noch in der Finanzierungsvereinbarung zu Stuttgart 21, Anlage 1 Seite 4, heißt es: ….“Besonders die
Konzeption eines integralen Takfahrplans (ITF) …profitiert davon in idealer Weise“. Heute will man
leider bei der Bahn und bei CDU/FDP von einem integralen Taktfahrplan nichts mehr wissen, weil man
inzwischen offensichtlich verstanden hat, daß Stuttgart 21 mit seinen nur 8 Bahnhofsgleisen für einen ITF
bei weitem zu knapp bemessen ist.
Was steht in der Koalitionsvereinbarung von Grün-Rot?
Wir unterstützen das Leitbild „Deutschlandtakt“ für einen bundesweiten integralen
Taktfahrplan im Fernverkehr und werden uns gegenüber dem Bund für dessen Umsetzung
einsetzen….“
Weiß die SPD überhaupt, was sie da unterschrieben hat? Wahrscheinlich ist ihr nicht bewußt, daß diese
Aussage für Menschen, die das logische Denken noch nicht verlernt haben, das Ende von Stuttgart 21
bedeutet.
 
Laut der Untersuchung von Prof. Dr. Wolfgang Hesse in der Fachzeitschrift „Eisenbahn Revue
international“ (3/2011) erfordert ein integraler Taktfahrplan für einen sogenannten „Vollknoten“ in
Stuttgart mindestens 14 Bahnhofsgleise, unabhängig von der Fragestellung Kopfbahnhof oder
Durchgangsbahnhof.
 
Nur unser jetziger, 17-gleisiger Kopfbahnhof kann dies leisten.
Prof. Hesse stellt ferner fest:
„Übrigens halten vergleichbare Bahnhöfe ähnliche Kapazitäten vor: Nürnberg mit drei Vierteln des
Stuttgarter Verkehrsaufkommens hat 21 Durchgangsgleise (davon 18 an Bahnsteigkanten). Zürich HB
hat mit einem um 35% höheren Verkehrsaufkommen 22 Gleise im Kopfbahnhof sowie vier
Durchgangsgleise und bietet ideale Verkehrsverknüpfungen mit einem in Europa einzigartigen Knotenund
Fahrplankonzept.“
Der Knotenbahnhof Bologna wurde auf 20 Gleise, davon 15 Durchgangsgleise erweitert. Bologna,
Nürnberg und Zürich sind aber deutlich kleiner als Stuttgart. Für das großspurig „…neue Herz Europas“
genannte Stuttgart 21 sollen mindestens 4,5 Milliarden, womöglich aber weitaus mehr ausgegeben werden,
nur um den Bahnhof in seiner Größe zu halbieren und den integralen Taktfahrplan zu verhindern!
Die Initiative „Deutschlandtakt“, getragen von Verbänden, Politikern aller Parteien, Industrie- und
Handelskammern und Bahnplanern will einen deutschlandweiten Integralen Taktfahrplan erreichen. Es
geht „Deutschlandtakt“ um folgende Ziele:
 
a) kurze Umsteigezeiten
b) hohe Reisegeschwindigkeit
c) große Zwischentaktlücken für mehr Güterverkehr
d) Streckenneu- und Ausbauten bestimmt durch den Fahrplan, nicht umgekehrt. Diese
Vorgehensweise ist weitaus kostengünstiger und wird den Verzicht auf manche Neubaustrecke
ermöglichenen
e) leicht merkbare Fahrpläne, gleiche Abfahrtszeiten an allen Vollknoten.
f) mindestens 100 % Steigerung des Personenverkehrs auf der Schiene.
Der Regional- und Nahverkehr stieg in den letzten Jahren laut Deutschlandtakt durch die Vorstufe des
ITF, den Taktfahrplan um 50% im Nah- und Regionalverkehr, während der Fernverkehr seit 1997 ca.
20% einbüßte. Sollte eine neue Bundesregierung den Deutschlandtakt einführen, dann wird
Stuttgart und Baden-Württemberg gerade durch S 21 abgehängt, weil selbst S 21 plus lediglich 30%
Zuwachs ermöglicht, niemals jedoch 100%!
Einige Zahlen untermauern die Notwendigkeit eines Deutschlandtaktes.
 
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Die grundlegende Statistik stammt aus dem Jahr 1998, aktuellere Statistiken sind kaum zu bekommen.
Wo es neuere Zahlen gibt, sind diese beigefügt.
 
a) Durchschnittliche Anzahl der Reisenden pro Tag und Strecke bei den einzelnen Bahnen:
Platz 1: Niederlande
Platz 2: Schweiz
Beide Länder verfügen über einen integralen Taktfahrplan
 
b) Jährlich zurückgelegte Kilometer per Bahn
Schweiz: 1742km (1802 mit Lötschbergbahn) 2009km laut Statistik 2006
Dänemark: 945km, 1047km laut Statistik 2006
Niederlande: 926
Deutschland: 727
Die ersten drei Länder (Schweiz, Dänemark, Niederlande) verfügen über einen integralen Taktfahrplan.
Es liegen bei den Kilometern noch mehr Länder vor Deutschland, u.a.
Japan: 1969 km
Frankreich: 1051km, 1282 km laut Statistik 2006
In Japan und Frankreich gibt es ein Hochgeschwindigkeitsnetz mit extrem hoher
Durchschnittsgeschwindigkeit.
 
c) Anzahl Zugfahrten pro Jahr
Schweiz: 37 Fahrten, laut Statistik 2006 44 Fahrten
Dänemark: 27 Fahrten, laut Statistik 2006 29 Fahrten
Niederlande: 20 Fahrten, laut Statistik 2006 20 Fahrten
Deutschland: 16, laut Statistik 2006 22 Fahrten.
In der Schweiz und Dänemark machen sich die integralen Taktfahrpläne ganz offensichtlich bezahlt,
ebenso in den Niederlanden. Da in Holland jedoch häufig sogar ein Viertelstundentakt besteht, scheinen
weitere Steigerungen kaum mehr möglich. In Deutschland wurden gegenüber 1998 etliche Taktfahrpläne
eingeführt und einige Inseln mit annäherndem integralen Taktfahrplan. Die Steigerungen bei den
Zugfahrten geben dem Konzept recht. Es ist auf diesem Hintergrund gut vorstellbar, daß ein vollständiger
ITF namens „Deutschland-Takt“ zu ähnlich guten Zahlen führen wird, wie bei der Schweiz mit ihrem
vergleichbar strukturierten Netz. Auch das vergleichsweise dünn besiedelte Dänemark mit den wenigen
Großzentren Kopenhagen, Odense und Aarhus konnte die Anzahl der Zugfahrten pro Einwohner weiter
steigern.
 
d) Durchschnittliches Zugangebot pro Tag und Strecke
Platz 1: Niederlande mit 110 Zügen/Tag
Platz 2: Schweiz mit 85 Zügen/Tag
Die Niederlande liegen vor der Schweiz, weil es dort z.T. sogar einen 15-Min.-Takt gibt.
 
e) Anzahl der Reisenden pro Zug
Platz 1: Italien
Platz 2:Frankreich
Platz 3: Schweiz
Italien und Frankreich: Hier wirkt sich das Hochgeschwindigkeitsnetz mit
Durchschnittsgeschwindigkeiten um 200 km/h und darüber günstig aus (bei gleichzeitig wenigen Halten),
in der Schweiz liegt es ganz eindeutig an den sprunghaft gestiegenen Fahrgastzahlen durch den integralen
Taktfahrplan.
Ertrag der eingesetzten Mittel
Laut der „Eisenbahn Revue international“ (2/2011, Seite 93, es wird das „Primon-Gutachten zitiert)
wendet die Schweiz 2,4 Cent pro Personenkilometer Bahn auf, Deutschland hingegen ca. das Dreifache,
nämlich 7.0 Cent!
Damit ist schlagend bewiesen: der integrale Taktfahrplan nützt den Reisenden, dem Steuerzahler
und dem Staat! Somit kann man mit Fug und Recht behaupten, daß das Ignorieren der Perspektive
 
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„Integraler Taktfahrplan“ als logische Konsequenz aus dem Bau von Stuttgart 21 Politikversagen in
reinster Form darstellt!
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die Schweiz nur 2,4 Cent/km bezahlt,
a) obwohl das Land viel teurer vom Lohn/Preisniveau her gesehen ist,
b) trotz der extremen topographischen Schwierigigkeiten für die Bahn,
c) auch erhalten die Eidgenossen keine EU-Mittel für den Personenverkehr,
d) dafür befördern die Schweizer Bahnen ca. doppelt so viele Personen (siehe oben) und
e) haben ein viel besser in Schuß gehaltenes Netz.
Das sogenannte „Primon-Gutachten“ vergleicht DB und SBB direkt. Daraus ergibt sich: Wollte man das
Deutsche Bahnnetz ähnlich qualifiziert betreiben, wie das Schweizer Netz, würde wesentlich mehr
Leistung erbracht bei womöglich sinkenden Staatszuschüssen. Dies funktioniert jedoch nicht mit
kontraproduktiven Prestigeobjekten wie Stuttgart 21 oder etlichen der Neubaustrecken der DB, was die
weiteren Thesen zeigen werden.
 
2.These:
Der Service der Bahn und die Qualität des Fern-, Nah- und
Regionalverkehrs leiden durch Stuttgart 21.
Wer weiß heute schon, welcher Bahnverkehr in 20, 30 oder gar 40 Jahren stattfindet?
Es gibt immer noch Bahnen, die im Gegensatz zur DB Gepäckwagen einsetzen (das könnte für
Flughafenzubringer wichtig werden, heute ist es bereits der Fahrradtransport), der echte Speisewagen
könnte wieder in Mode kommen, Schlafwagen, Kurswagen etc. Wie soll so etwas im viel zu kleinen
Tiefbahnhof laufen?
 
Betriebsarten im Kopfbahnhof
Der bisherige Kopfbahnhof in Stuttgart wickelte im Laufe seiner Geschichte mühelos unterschiedlichste
Betriebskonzepte ab.
a) Die Dampflokzeit mit umfangreicher Lokbehandlung und Lokwechsel
b) Die Bundesbahnepoche mit Dampf-, Diesel- und elektrischem Betrieb und dem kompletten
Nahverkehr, der sich heute gleichsam in der S-Bahn „versteckt „
c) die Epoche der DB-AG mit Wendezügen ohne Lokwechsel, mit ICE und TGV
d) Der Kopfbahnhof kann auch den integralen Taktfahrplan, das Verkehrskonzept der Moderne (These 1)
 
Was kann demgegenüber der Tiefbahnhof?
Stuttgart 21 kann all dies nicht. S 21 wurde zu einer Zeit geplant, als der integrale Taktfahrplan und die
Billigflieger noch kein Thema waren und als der Lokwechsel beim der Einfahrt in den Kopfbahnhof noch
an der Tagesordnung war. Von daher ist das Gerede, der Kopfbahnhof sei „ans Ende seiner
Kapazität gekommen“, das uns in den Propagandabroschüren zu Stuttgart 21 begegnet, eine dreiste
Lüge, die helfen soll, die Notwendigkeit eines unnötigen Bahnhofsneubaues zu begründen.
Der Tiefbahnhof kann nur sein einziges und eingeschränktes Fahrplankonzept, wer weiß, ob das nicht
schon in 10 Jahren völlig überholt sein wird? Im Grunde ist dieses Konzept bereits heute veraltet, denn
integrale Taktfahrpläne entstehen inzwischen auch in Tschechien und Frankreich (neben den zuvor
genannten Ländern).
 
Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß der Kopfbahnhof am 10.7.1970 zur Spitzenstunde 18
locker 67 Züge leistete! (Die theoretische Höchstgrenze liegt bei 74 Zügen/Stunde). Der Tiefbahnhof
sollte bei dem sogenannten Stresstest beweisen, daß er 49 Züge pro Stunde bewältigen kann, in der
Realität dürften es wesentlich weniger sein.
Eine neue Studie von Dr. Christoph M. Engelhardt, erschienen in der Eisenbahn Revue international
(Juninummer 2011) kommt zu dem Schluß, daß Stuttgart 21 bei Lichte betrachtet sogar eine
Leistungsgrenze von nur 32 Zügen pro Stunde hat. Der Vergleich mit ähnlich großen
Durchgangsbahnhöfen im In- und Ausland beweist die Plausibilität dieser Aussage (Z.B. der neue Hbf
in Wien, vorgesehene Inbetriebnahme 2015, 400 geplante Züge pro Tag auf 8 Gleisen, S 21 will auf
auch nur 8 Gleisen 936 täglich Züge abfertigen !!-vgl. auch These 7)
 
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Der Kopfbahnhof, dem von den Projektbefürwortern das Ende seiner Leistungsfähigkeit attestiert wird,
muß momentan zur Stunde 7 nur ein Maximum von 38 Zügen erlauben, er schafft aber fast das Doppelte!
Wer dies nicht glaubt, der sei an folgendes erinnert: der gesamte Nahverkehr, der seit 1978 von der SBahn
in einem eigenständigen Tiefbahnhof übernommen wurde, wurde bis 1978 ebenfalls im
Kopfbahnhof abgewickelt, inklusive des damaligen Lokwechsel-, Kurs- und Gepäckwagenbetriebes, den
es heute nicht mehr gibt! Die Projektbetreiber behaupteten noch Mitte 2010, daß der Tiefbahnhof Stuttgart
21 das Doppelte gegenüber dem Kopfbahnhof leisten würde, dabei ist es in Wahrheit gerade umgekehrt!
 
Vorausschauender Umgang mit Bahninfrastruktur
Durch den Bau des Tiefbahnhofes für die S-Bahn (eingeweiht 1978) wurden im Kopfbahnhof zusätzliche
Kapazitäten frei, die eigentlich für Angebotssteigerungen und einen integralen Taktfahrplan
hochwillkommen sind! Stattdessen würde diese einmalige Chance durch Stuttgart 21 vernichtet! Eine
Grundregel sollte sein, daß niemals ohne Not Bahninfrastruktur aufgegeben wird, eine solche in einem
dichtbesiedelten Land, wie Deutschland mit seinem zähen Planungsrecht neu aufzubauen, ist extrem
schwierig, teuer und mit vielerlei Widerständen verbunden. Was vorhanden und sinnvoll ist, sollte unter
allen Umständen erhalten werden. So verweigert etwa die Reutlinger Oberbürgermeisterin, Barbara Bosch,
die Bebauung des ehemaligen Güterbahnhofs. Sie möchte die Fläche der Bahn erhalten, falls wieder mehr
Güterverkehr auf der Schiene stattfindet. Würde das Areal bebaut, wäre diese Option zerstört.
 
Abbau bei der Deutschen Bahn
Zwischen 1998 und 2009 baute die Deutsche Bahn 36% ihrer Weichen ab. Seither fehlende
Ausweichmöglichkeiten führen zu Verspätungen und Fahrzeitverlängerungen. Ein Beispiel, das vielfach
Schlagzeilen produzierte, ist Fornsbach auf der eingleisigen Murrbahn. Die aus blinder Sparwut entfernte
ideale Kreuzungsmöglichkeit in Fornsbach vernichtet wieder die durch die teure Strecken-Elektrifizierung
gewonnene Fahrzeit. Stattdessen bummeln die Züge langsamer, um die verlorene Fahrzeit vor den
Fahrgästen „zu verstecken“ und/oder warten in Murrhardt auf ihre Gegenzüge.
Zwischen 2 000 und 2010 wurden bei der DB 33% der Arbeitsplätze abgebaut. Neu eingestelltes Personal
versteht ältere Anlagen, wie analoge Stellwerke, nicht mehr. Ältere, erfahrene Mitarbeiter wurden entlassen
und mit ihnen ging ihr Wissen.
 
Einseitige Bevorzugung des Fernverkehrs.
Die Anzahl der Reisenden im Fernverkehr erreichte im Jahr 1997 einen Gipfel von 152 Millionen
Reisenden im Jahr (1991 waren es 137 Millionen). Bis zum Jahr 2003 fiel die Zahl dramatisch auf nur
noch 115 Millionen. Eine leichte Erholung fand statt bis zu den Jahren 2008 und 2009 mit jeweils 123
Millionen Fahrgästen. Am Gesamtverkehr der Bahn war der Fernverkehr nur mit ca. 5% beteiligt (2,37
Milliarden Reisende), zog aber über die Neubaustrecken den Löwenanteil der Investitionen auf sich.
(Quelle: Statistisches Bundesamt bzw. Datei Railway long distance transportation germany.png).
Das beweist ernüchternd: all die zweistelligen Milliardeninvestitionen in die Neubaustrecken
haben nichts gebracht! Gleichzeitig gibt es für den Nah-, Regional- und Güterverkehr hohe
Steigerungsraten und ungenutzte Potenziale. Diese Chancen bleiben, vor allem für den Güterverkehr,
ungenutzt, weil fast alles Geld in den Hochgeschwindigkeitsverkehr gesteckt wird. Ein Stop von Stuttgart
21 und der NBS Wendlingen-Ulm würde genügend finanzielle Mittel freisetzen, um den Güterverkehr auf
der Schiene zu verdoppeln! Im nächsten Kapitel werde ich zeigen, daß dies auch unter
Umweltgesichtspunkten sehr sinnvoll wäre!
 
3. These:
„Die deutsche Variante des Hochgeschwindigkeitsverkehrs ist
extrem energiefressend und mithin umweltfeindlich“.
 
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(Stuttgart 21 und die Neubaustrecke werden in erster Linie für den schnellen Fernverkehr gebaut)
Zu der Frage des Primärenergieverbrauchs bei der Deutschen Bahn gibt es
bohrende Fragen!
Gewöhnlich wird davon ausgegangen, daß ein Flugzeug pro Fahrgast dreimal so viel Energie verbraucht,
wie der Bahnfernverkehr. Erst ein mit vier Personen besetzter PKW kommt nach landläufiger Auffassung
an die Werte der Bahn heran. Aber gilt dies auch für unseren Hochgeschwindigkeitsverkehr? Neuere
Studien kommen hier zu alarmierenden Ergebnissen. Demnach sind moderne, energiesparende Flugzeuge
im Verhältnis zur Bahn wesentlich umweltfreundlicher, als bisher angenommen. Auch beim immer
sparsamer fahrenden PKW werden im direkten Vergleich zur Bahn unangenehme Fragen laut.
 
In der F.A.Z. 2007 veröffentlichte Studie
Eine Studie, die in der F.A.Z. publiziert wurde, kommt zu dem Ergebnis, daß ein (durchschnittlich) mit 1,5
Personen besetzter PKW im Fernverkehr pro Person 5,2 Liter Kraftstoff verbraucht, die Bahn
umgerechnet 3,5 Liter. (Die von der Bahn selbst angegebene Zahl ist niedriger, in dieser Studie sind aber
die Energieverbräuche durch die Infrastruktur, also Bahnhöfe, Netz und Zuleitungsverluste mit
eingerechnet). Da das Auto aber von Haus zu Haus fährt, der Bahnhof jedoch in der Regel erst einmal
angefahren werden muß, und da auch am Zielbahnhof meist ein weiteres Verkehrsmittel erforderlich ist,
wurde ein zusätzlicher Primärenergieeinsatz von durchschnittlich 14% ermittelt. Damit erreicht die Bahn
einen Wert von äquivalent 3,9l Verbrauch pro Person.
Jetzt kommt aber ein weiterer, beunruhigender Faktor ins Spiel. Der DB Fernverkehr, der sich
hauptsächlich auf den energieaufwändigen ICE stützt, kann den Vorsprung beim Verbrauch und beim
CO2 nur dann halten, wenn die durchschnittliche Zugauslastung von 43%, die von der Bahn
kommuniziert wird, stimmt. Dieser Faktor sprang vor etlichen Jahren plötzlich von einem deutlich
niedrigeren Level (ca 33%) durch eine nicht transparent erläuterte „neue Zählweise“auf das seither
wesentlich höhere Niveau. Die Frage ist, ob dies auch berechtigt ist. Kritiker wenden ein, daß die
Schweizer SBB, die am stärksten frequentierte Bahngesellschaft Europas, bei ihrem Fernverkehr die Zahl
von 28% Auslastung nennt. Die Schweizer sind ein Vorbild an Offenheit und Transparenz. Die DB hält
ihre Basiszahlen, wie auch bei der Pünktlichkeit, weitgehend geheim. Scheut sie etwa den Vergleich mit
anderen europäischen Bahnen?
Geht man hypothetisch einmal davon aus, daß bei einer Schweizer Zählweise die DB auch nur auf 28%
Auslastung käme, dann läge der Primärenergieeinsatz, äquivalent zum PKW gerechnet, bei satten 5,9l pro
Person. Der PKW wäre dann umweltfreundlicher!
 
Studie der Ludwig Bölkow-Stiftung
Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, daß ein ICE 3, der eine Reisegeschwindigkeit von 300/km/h fährt,
einen Energieverbrauch verursacht, der einem Verbrauch beim KFZ von 3,9 Liter pro Insasse entspräche.
(Also derselbe Wert, den die Studie der F.A.Z. ermittelte) Bei 200km/h hingegen werden analog nur 2,0
Liter pro Fahrgast beansprucht. Eine Beschleunigung von 0 auf 150 km/h verbraucht nach dieser
Untersuchung dieselbe Energie, wie eine Beschleunigung von 200 km/h auf 250 km/h.
 
Umgang anderer Länder mit dem Hochgeschwindigkeitsverkehr/
Energetisch verfehlte Trassierungen bei S 21
In Frankreich, Italien und Spanien wird darauf geachtet, daß TGV, Freccia Rossa etc. möglichst lange
ohne Halt fahren. Auf Deutschland übertragen hieße das, daß ein ICE nach der Abfahrt in Stuttgart
frühestens in München Halt machen dürfte, der Stuttgarter Flughafen wäre als Stop absolut tabu, genauso
Ulm und Augsburg. Wollte man die Knoten Ulm und Augsburg trotzdem bedienen, hieße das womöglich
bei einem Halbstundentakt im Schnellverkehr, daß ein Zug Ulm, der andere Augsburg bedient. Aus
energetischer bzw. fahrdynamischer Sicht ist es auf jeden Fall absoluter Irrsinn, einen ICE mit dem oben
beklagten Energieverbrauch von Stuttgart Mitte auf die Filder hinaufzwingen, um nach dem Halt am
Stuttgarter Flughafen wieder ins Neckartal bei Wendlingen hinab zu fahren. Die Bahn selbst ließ
durchsickern, daß diese das Geschäft der Bahn schädigende Fehlplanung nur auf Druck der damaligen
Landesregierung zustandekam! -7-
Die Züge müssen bei der Einfahrt in den Tiefbahnhof S 21 stark abbremsen. Im Gegensatz zum
bisherigen Kopfbahnhof (wo energetisch optimal in der Ebene angefahren wird) fahren die Bahnen
gegen eine eisenbahntechnisch unübliche, starke Steigung an.
In Frankreich und Italien werden Schnellfahrstrecken in dichtem Minutentakt ausgenützt, Nürnberg-Erfurt
hingegen wird für einen Zug pro Stunde und Richtung gebaut, Wendlingen-Ulm für 2-3 Züge.
 
Großmäuliges Statement von Hartmut Mehdorn
Der frühere Bahnvorstand Hartmut Mehdorn behauptete einst in einem seiner vielen Anfälle von
Größenwahn, ein ICE 3 würde beim Anfahren soviel Strom ziehen wie eine Kleinstadt von 5 000
Einwohnern an einem ganzen Tag. Das ist laut Experten, die nachgerechnet haben, zwar rund um das 5-
fache übertrieben, aber das Anfahren eines solchen (gegenüber herkömmlichen Zügen) extrem stark
motorisierten Zuges verbraucht nachweislich gewaltige Energiemengen.
 
Energieeinsatz im Güterverkehr
Beim Schienengüterverkehr kommen die Studien zu wesentlich günstigeren Ergebnissen. Der
Straßenverkehr verbraucht für die Beförderung der selben Menge an Gütern 4,8 Liter Diesel im Vergleich
zu umgerechnet 1,8 Liter Diesel bei der Bahn.
Eine starke Förderung des Schienengüterverkehrs wäre also für unsere Umwelt ein Segen und würde uns
von Mineralölimporten unabhängiger machen.
 
Interessant in diesem Zusammenhang: die DB AG als „Heuschrecke“.
Die Eisenbahn Revue international titelt im Oktober 2011 (S. 500) „Dänischer Binnengüterverkehr in
den letzen Zügen“. In diesem Artikel wird beschrieben, wie die DB AG vor zehn Jahren den dänischen
Schienen-Güterverkehr aufkaufte und um satte 80% reduzierte. Der Schienengüterverkehr in Dänemark
hat nur noch einen lächerlichen Anteil von 1% am Transportvolumen, er ist damit Schlußlicht in Europa.
Bewirkt hat dies die DB AG. Sie fährt praktisch nur noch Transitgüterzüge Schweden-Deutschland, von
denen Dänemark im Prinzip nichts hat. Das Beispiel Dänemark ist bei weitem nicht nicht das einzige,
aber das krasseste. Wem die Umwelt am Herzen liegt, der müßte der DB verbieten, im Ausland
Güterbahnen aufzukaufen. Denn die Folge ist, daß die DB AG Dänemark, Tschechien und andere
Länder mit ihren DB-Schenker LKWs überschwemmt. Anstatt sich um unser marodes eigenes Netz zu
kümmern, lassen Mehdorn, Grube und Co. den deutschen Güterverkehr verkommen und kaufen
gleichzeitig im Ausland mit unseren Steuer- und Fahrgeldern Bahngesellschaften auf, nur um diese
gründlichst zu ruinieren. Das ist zutiefst unmoralisch, in gewissem Sinne neokolonialistisch und trägt
dazu bei, den Ruf unseres Landes bei den europäischen Nachbarn zu beschädigen und die
Europamüdigkeit – zum Beispiel in Dänemark- weiter zu befördern.
 
Trassierung der Neubaustrecken
Die Strecken über den Westerwald (Köln-Frankfurt), die im Bau befindlichen Strecken über den
Thüringer Wald (Nürnberg-Erfurt) und die Schwäbische Alb (Wendlingen-Ulm) überqueren
merkwürdiger Weise die genannten Mittelgebirge an ihren Scheitelpunkten. Anders gesagt, diese
Strecken sind energetisch und fahrdynamisch durch ihre extremen und langen Steigungen
Fehlplanungen. (Spielen hier die bei 17-23% liegenden Planungskosten, sprich Provisionen für die
Bahn eine Rolle? Wird hier bewußt umständlich gebaut, um möglichst hohe Summen staatlicher
Zuschüsse abzugreifen?) Selbst der Stuttgart-21-Befürworter Prof. Martin geht bei der
Neubaustrecke nach Ulm von einem Strom-Mehrverbrauch von 18% aus. (Wobei dieser Wert laut
unabhängiger Experten sicherlich geschönt ist).
Die ungünstige Trassierung der Neubaustrecken und von Stuttgart 21 hat dazu geführt, daß die neu
bestellten ICx-Züge 30% stärker motorisiert werden mußten, als bisher oder in anderen Ländern üblich.
Daraus folgt: mit ihren Fehlplanungen behindern Politik und Bahn die Energiewende!
 
Trassierung der Zulaufstrecken bei Stuttgart 21
Jeder Zug, der beim bisherigen Kopfbahnhof in der Ebene abfährt, muß demgegenüber beim Tiefbahnhof
(16 Meter tiefer!) gegen eine starke Steigung anfahren, und das bei 650 Zügen täglich! Bei S 21 erklimmt
 
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der Filderaufstiegstunnel nahezu die komplette Höhe der Filderebene, der weniger steile Tunnel des
Alternativprojektes K 21 würde die Bundesautobahn auf viel niedrigerem Niveau bei Denkendorf
erreichen.
Die Bahn speist zwar bei der Talfahrt Bremsenergie wieder zurück ins Netz, wie sie immer wieder stolz
verkündet. Dieser Effekt wird von der Deutschen Bahn aber propagandistisch überhöht. Es handelt sich
dabei gerade mal um 8% des Energieeinsatzes. In anderen Ländern, der Schweiz etwa, ist dieser Wert weit
höher und dort wird seit rund 70 Jahren (!) Energie beim Bremsen zurückgegeben ins Fahrleitungsnetz.
Was hier für die Neubaustrecken gilt, gilt genauso für die Neutrassierungen im Rahmen von Stuttgart 21.
Energieeinsparung und Fahrdynamik scheinen hier absolute Fremdwörter zu sein.
 
Erzeugung der zum Einsatz kommenden Energie
50 % des Bahnstromes kommt aus Kohlekraftwerken, immerhin 26% aus Atomkraftwerken. Im
Großraum Stuttgart stammt der Bahnstrom aus dem AKW Neckarwestheim. Neben diesem AKW
errichtet die Deutsche Bahn für 46 Millionen Euro auf dem Gemmrigheimer Feld gerade eine drei
Hektar große eigene Anlage. Damit kann ab 2012 der Atomstrom direkt ins Bahnnetz
eingespeist werden. Damit zementiert die Bahn die Abhängigkeit vom Atomstrom für lange
Zeit.
 
Bahnchef Grube gehörte zu den Erstunterzeichnern der Laufzeit-Verlängerung der deutschen
Atomkraftwerke. Die Bahn war von Anfang an zu 20% am AKW Neckarwestheim beteiligt! Die Bahn
verwendet nur 0,6% Windenergie, der Durchschnitt liegt republikweit bei 8%! Immerhin will die Bahn
neuerdings, auf Druck der Ereignisse von Fukushima (weniger aus eigener Einsicht) mittels Wasserkraft
den Anteil an erneuerbarer Energie für den Bahnstrom auf (relativ bescheidene) 28% erhöhen.
Im Gegensatz zur DB steigt die Schweizer Bahn, die SBB, aufgrund der Ereignisse von Fukushima
bewußt aus der Atomkraft aus. Begründet wird dies mit der moralischen und gesellschaftlichen
Verantwortung, die solch ein öffentliches Unternehmen nun einmal hat..
Leider muß die Bahn im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern Emissionsrechte kaufen. Zugute halten
darf man der Bahn auch ihr gründliches Energiespartraining der Lokomotivführer. Auf dem Hintergrund
der oben genannten Zahlen erscheint dies allerdings auch als bitter notwendig.
 
Was kann man aus diesen Fakten schließen?
Der wichtigste Grund für das Bahnfahren, der auch von der Bahn selbst eifrig in den Vordergrund gestellt
wird, sind die unbestreitbaren Vorteile hinsichtlich der Umweltbelastung gegenüber dem PKW und dem
Flugzeug. Wenn diese Vorteile angesichts katastrophaler Umweltprobleme aber zum Tragen kommen
sollen, dann zeigen die genannten Überlegungen, daß die Hochgeschwindigkeitsphilosophie der
Deutschen Bahn und der deutschen Politik in dieser Form ein Irrweg ist. Wenn PKWs und Flugzeuge
immer weniger Energie verbrauchen, die Bahn aber gleichzeitig immer mehr, dann verspielt die
Bahn über kurz oder lang ihren entscheidenden Trumpf.
Hohe Reisegeschwindigkeit mit alternativen Mitteln
 
In Schweden erreicht der X-2000 Zug, der sich meist auf 200 km/h beschränkt, zwischen Malmö und
Stockholm eine deutlich höhere Reisegeschwindigkeit wie der ICE zwischen Stuttgart und Hamburg. Die
beiden Strecken sind etwa gleichlang und die Anzahl der Haltepunkte ist etwa die gleiche, trotzdem ist der
X-2000 mindestens 20 Minuten schneller, in Einzelfällen fast eine Stunde! Ohne auf Geschwindigkeiten
von nahe 300km/h zu beschleunigen, erreicht der X-2000 ab Malmö nach ca. 4 1/2 Stunden Fahrt sein
Ziel Stockholm. Der X-2000 setzt auf Neigetechnik, um Kurven schneller befahren zu können und auf
begradigte Strecken. Der ICE hingegen benötigt Neubaustrecken und fährt bis zu 280 km/h im
Regelbetrieb. Schweden und andere Länder bauen den Zug nach der Strecke, Deutschland aber die
Strecken nach dem Zug. Was teurer und energieaufwändiger ist ist, liegt auf der Hand.
 
Sinnvoller Umgang mit der Hochgeschwindigkeit
Geschwindigkeiten von deutlich über 200 km/h werden -aus Verbrauchsgründen- in Schweden (X-2000)
und den USA (Acela-train) abgelehnt. Werden sie dennoch gefahren, wie etwa in Spanien, Italien oder
Frankreich, plant man aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und im Interesse einer hohen
Durchschnittsgeschwindigkeit kaum Halte ein. Ansonsten würde sich die Bahn wie die ökologisch
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verheerenden Kurzstreckenflieger verhalten, denn Hochgeschwindigkeitszüge verbrauchen bei der Anfahrt
bis zum Erreichen der Reisegeschwindigkeit sehr viel Energie, analog zum Startvorgang eines Flugzeuges.
Darum gibt es in Frankreich, Italien und Spanien auch keine sinnlosen Halte von Hochgeschwindigkeitszügen
wie etwa in Montabaur oder wie der geplante Halt an einem nachrangigen Flughafen wie Stuttgart.
Der große internationale Flughafen in der Nähe ist Frankfurt, in kaum mehr als einer Stunde per Bahn zu
erreichen. Es leuchtet nicht ein, warum der ICE z.B. den Transatlantik-Reisenden in kürzester Zeit zum
Stuttgarter Flughafen bringen soll, damit der Reisende einen womöglich im Preis inbegriffenen
Kurzstreckenflug nach Frankfurt unternimmt, um anschließend auf den Langstreckenflieger umzusteigen.
Besser ist es, der Reisende (beispielsweise aus Ulm) bleibt im ICE sitzen bis Frankfurt-Flughafen.
 
Wie wird die Bahn konkurrenzfähig ohne einen Cent auszugeben?
Die günstigste Maßnahme, um die Bahn konkurrenzfähig zu machen, wird in allen Staaten der Welt
praktiziert, außer in Deutschland: ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen, das laut Umfragen
von 72% der Bevölkerung gefordert wird und nur Vorteile brächte:
a) weniger Unfälle
b) geringerer Kraftstoffverbrauch
c) höhere Kapazität der Autobahnen
d) preisgünstigerer Ausbaustandard auf den Autobahnen (Italien 33% gegenüber BRD)
Das Ergebnis all dieser Überlegungen ist: Ausbau der Bahn ja, der Zustand unserer Umwelt erzwingt dies
geradezu. Nur muß auch die Bahn sich bei ihren Fahrzeugen und Streckenbauten an die Maxime der
Umweltfreundlichkeit halten, ansonsten wird sie im Fernverkehr nicht nur uninteressant, sondern auch
unglaubwürdig. Stuttgart 21 ist auf diesem Hintergrund kein ökologisches Projekt, sondern Bestandteil
einer verfehlten Strategie, die unsere Bahn leider immer mehr zurückwerfen wird gegenüber ihren
Konkurrenten SNCF, SJ, SBB usw.
 
Bauweise der Fahrzeuge im Hochgeschwindigkeitsverkehr
Andere Bahnen setzen auf durch Jakobsdrehgestelle verbundene Triebwagenzüge, dabei liegt je eine
Achse unter dem Ende eines Wagenkastens, das aus zwei Achsen bestehende Drehgestell verbindet die
Einzelwagen stabil. Drei Hauptvorteile kennzeichnen dieses Prinzip:
1. Größere Laufruhe
2. Fast 50% weniger Achsen, also weniger Gewicht und Energieeinsparung
3. Größere Sicherheit im Falle einer Entgleisung.
Ein Unglück wie in Eschede hätte bei einem Zug mit Jakobsdrehgestellen nicht zu über 100 Toten
geführt. Diese Drehgestelle wirken wie die Wirbel eines Rückgrates und halten den Zug im Falle einer
Entgleisung aufrecht und stabil, während Einzelwagen ineinandergeschoben werden, umfallen oder sich
ziehharmonikaartig zusammenziehen. Warum läßt die Deutsche Bahn ihre Hochgeschwindigkeitszüge
immer noch nach dem überholten Einzelwagenprinzip bauen? Unfälle in den Nachbarländern gingen
selbst bei sehr hohen Geschwindigkeiten immer glimpflich aus. Warum will die Deutsche Bahn woanders
nichts lernen?
Der Unterbau der ICE ist aerodynamisch viel ungünstiger als im Ausland. Warum werden hier keine
Konsequenzen gezogen?
 
4. These:
„Stuttgart 21 wirkt als unbewußtes oder bewußtes Hemmnis
gegen private Wettbewerber der Deutschen Bahn“
Wie man auch in anderen Ländern sehen kann, gefährdet das neue europäische Signalsystem private
Mitbewerber, also auch bei S 21 (Einbau pro Fahrzeug: 300 000 Euro). Da die Einfahrt von
Dieselfahrzeugen bei S 21 verboten ist, kann man getrost davon ausgehen, daß S 21 als
Wettbewerbsverhinderer auf der Schiene wirkt
 
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Die starken Steigungen im Filderaufstiegstunnel werden Wettbewerber mit schwächeren Triebfahrzeugen
ausschließen. Die privaten Mitbewerber der DB erhielten vor etlichen Jahren wohl absichtlich keine
überzähligen E-Loks aus den Beständen der DB. (Ganz im Gegensatz zu Schweden, wo alle
Gesellschaften, also auch die ehemalige Staatsbahn SJ, gleichberechtigt mit dem vorhandenen Rollmaterial
bedacht wurden). Die deutschen Privat-Güterbahnen mußten sich mit uralten, luftverschmutzenden, längst
abgeschriebenen russischen und norwegischen Dieselloks eindecken. Mit Steuergeldern finanzierte, noch
relativ moderne E-Loks, die noch längst nicht verschrottungsreif waren, wanderten in den Schneidbrenner.
Die „Eisenbahn-Revue-international“ schreibt in ihrer Ausgabe 3/2011, daß die privaten Konkurrenten
der Bahn mittlerweile modernste Elektrolokomotiven beschafft haben, die energiesparender sind, als die
der DB AG! Die DB AG konterkariert diese Bemühungen im Interesse unserer Umwelt durch
schikanöse Fahrplangestaltungen, die häufiges Anfahren und Bremsen der schweren Güterzüge der
Privaten bedingen. Gleichzeitig sorgt die DB durch ihr Monopol beim Bahnstrom für finanzielle
Benachteiligungen der Privaten.
Es wundert nicht, daß die Privatbahnen mittlerweile auf dem Klageweg (bei guten Erfolgsaussichten!)
einen Weiterbetrieb des für sie iedealen Kopfbahnhofes erzwingen wollen. Immerhin können beim
jetzigen Bahnhof auch Züge günstig abgestellt werden, bei Stuttgart 21 gibt es diese Möglichkeit nicht
mehr. Abzustellende Züge sind dann gegen teueres Trassenentgelt nch Untertürkheim zu fahren! Haben
die Privaten Erfolg, was ihnen aus ganzem Herzen zu wünschen wäre, werden wir zwei Bahnhöfe haben:
den bestehenden Kopfbahnhof und den überflüssigen, hinderlichen Tiefbahnhof Stuttgart 21.
 
Vernünftige Politiker würden daher unbedingt den Ausgang der Klage der Pribvatbahnen
abwarten!
5. These:
„Stuttgart 21 wirkt sich zumindest in der Bauphase negativ auf
die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) aus“.
(Und die S-Bahn und auf den Straßenverkehr).
 
K 21 tangiert die SSB nicht, aber S 21 verursacht für das Ausgraben und Neuverlegen der SSB-Tunnels
131,1 Millionen Euro Kosten! (noch ohne die Bereiche Untertürkheim-Feuerbach)
Laut einem Artikel in der STZ vom 20.9.2009 müssen die Linien U1, U2 und U4 längere Zeit umgeleitet
werden. Ein klares Dementi der SSB steht immer noch aus. Die Stadionlinie U11 würde durch diese
Maßnahme längere Zeit entfallen.
Für die Unterbrechung des Stadtbahntunnels Heilbronnerstraße hat die SSB an den Gleisen der
U5,6,7,12, und 15 Gleiswechsel-Weichen zum Umkehren verlegt. Diese Kosten gehören auch zu S 21!
Die Linie U 13 entlang des Bahngeländes zwischen Bad-Cannstatt und Untertürkheim wird ebenfalls
stark beeinträchtigt werden.
Bei S 21 wird der S-Bahnbetrieb leiden in der Bauphase, der Stadtbahn und der Straßenverkehr werden
massivst beeinträchtigt an den beiden Hauptkreuzungen Schiller/Willy Brandtstraße und
Schiller/Friedrichstraße!
Die bergmännisch zu bauenden neuen Tunnelröhren der Stadtbahn zwischen Hbf und Türlenstraße und
der Bahn werden sich nur mit minimaler Überdeckung schneiden, bisher ist überhaupt nicht klar, wie das
statisch beherrscht werden kann.
 
6. These:
„Stuttgart 21 verschlechtert massiv die gesamte
Zulaufstreckensituation in der Region“
Bei den Zulaufstrecken zum Bahnhof kommt es infolge von Stuttgart 21 zu dramatischen
Reduktionen. Wo bisher weitgehend kreuzungsfrei mit Überwerfungsbauten gearbeitet wurde, und wo
es nur eine (übrigens erst seit dem S-Bahn-Bau 1978) kurze eingleisige Stelle gab, gibt es plötzlich viele
niveaugleiche Kreuzungen und eingleisige Stellen. Diese sogenannten Zwangspunkte machen eine
freie Fahrplangestaltung je nach tatsächlichem Bedarf völlig unmöglich.
Noch beim S-Bahn-Bau Ende der 70er Jahre legte man etwa in Stuttgart-Zuffenhausen darauf Wert, daß
 
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(die maximal vier pro Stunde) abzweigenden S-Bahnen der Linie S 6 den Gegenverkehr mittels eines
Überwerfungsbauwerkes nicht behindern. Bei Stuttgart 21 werden Züge in den Bereichen Rohr,
Wendlingen, Nürnberger Straße etc. niveaugleich Gegengleise überqueren. Besonders auf der sehr dicht
befahrenen viergleisigen Strecke im Bereich der Nürnberger Straße kann man dies nur als schwersten
Planungsfehler einordnen.
Frage: Würde sich ein Autofahrer eine Autobahnausfahrt gefallen lassen, bei der die Gegenfahrbahn
unter Vorbeilassung des Gegenverkehrs überquert werden muß? Genau solcher Murks droht bei
Stuttgart 21 zuhauf!
 
Die vorhandenen Zulaufstrecken sind ungeeignet für einen Durchgangsbahnhof.
Der Pfusch bei der Stuttgart 21 Planung entsteht zwangsläufig dadurch, daß sich das vorhandene
Streckennetz auf dem Hintergrund des Kopfbahnhofes organisch entwickelt hat. Der geplante
Durchgangsbahnhof paßt nicht zu diesem Strecken-„Baum“, dessen „Stamm“ der Kopfbahnhof
ist. So kann es passieren, daß man in Zukunft auf dem Weg von Esslingen nach Bad-Cannstatt des
öfteren absurderweise zuerst über den Hauptbahnhof fahren muß, eine Zone mehr im Verbundtarif wird
fällig werden und die Fahrzeit verlängert sich, ggf. wird sogar ein Umsteigen erforderlich. Für diese
unbefriedigende Situation ist einzig der systemfremde Durchgangsbahnhof verantwortlich, der
neben unbestrittenen Fahrzeitverkürzungen eben auch deutliche Fahrzeitverlängerungen für viele
Betroffene produzieren wird! All diese gravierenden Nachteile werden natürlich in den Werbebroschüren
für S 21 geflissentlich verschwiegen!
Es ist leider so, daß man davon ausgehen muß, daß Studien gezielt verschwiegen wurden, die zeigen,
daß der Kopfbahnhof hier viel besser abschneidet (siehe auch unter III.f)„Zum Nachdenken“,
vergleichende Expertise von SMA zu K 21 und S 21!)
 
Gäubahntrasse
Im Konzept Stuttgart 21 ist die eigenständige Trasse der Gäubahn überflüssig und nicht richtig
integrierbar. Trotzdem ist die Gäubahntrasse Vaihingen-Westbahnhof-Hauptbahnhof
unverzichtbar für den Gesamtknoten Stuttgart, auch aus diesem Blickwinkel ist Stuttgart 21
abzulehnen. Die Gründe hierfür sind im einzelnen:
a) Die Gäubahn hat bisher eine eigene Trasse und somit eine praktisch 100%tige Fahrplanstabilität.
b) Die Fahrzeit ist deutlich kürzer als bei dem geplanten Umweg über den Flughafen, der niveaugleiche
Kreuzungen in Rohr, Mischverkehr mit der S-Bahn und eingleisige Abschnitte vorsieht.
c) Die Gäubahn dient bisher im Störungsfall bei der S-Bahn, der durchschnittlich einmal monatlich
auftritt, als willkommener Bypass für die S-Bahnlinien S1-3. Damit bleibt der Flughafen auch im
Störungsfall erreichbar.
d) Die Gäubahn dient für Dutzende Güterzüge täglich als Umleitung, wenn die Güterzugumfahrung
Kornwestheim-Korntal-Renningen-Sindelfingen gesperrt ist. Stünde die Gäubahntrasse nicht mehr zur
Verfügung, wäre der Südwesten unseres Landes bei Bauarbeiten oder Störungen an der Umfahrung für
den Güterzugverkehr nicht erreichbar.
e) Die Gäubahntrasse ist bisher im Bereich Nordbahnhof über ein Gleisdreieck optimal an die Strecke
Hauptbahnhof-Feuerbach angebunden. Aus der Sicht des Verfassers darf diese exzellente Anbindung
niemals dem Städtebau geopfert werden.
 
Eingleisige Abschnitte bei Stuttgart 21 und ihre möglichen Folgen
Folgendes kleine Beispiel soll die Problematik erläutern: Die SSB hat bei ihrem Stadtbahnbau 2005 einen
kurzen eingleisigen Abschnitt auf der U 2 eingebaut, der zuvor doppelgleisig war. Bei ihrem neuen
Fahrplan „Netz 2011“ findet die Kreuzung der Bahnen der U 2 aufgrund übergeordneter
Überlegungenen ausgerechnet in diesem Bereich in der Schmidener Straße statt, ständige Verspätungen
sind die Folge. Bei den viel ausgedehnteren eingleisigen Stellen und den weitaus längeren Zügen bei der
DB werden sich eingleisige Stellen wirklich verheerend auswirken. Der bisher laut Stiftung Warentest
pünklichste Großbahnhof (Kopfbahnhof Stuttgart) wird genauso unpünktlich werden, wie viele andere
große Durchgangsbahnhöfe in Deutschland, die Verspätungen nicht mehr abpuffern, sondern nur noch
weitergeben können.-
 
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Im Kopfbahnhof sind mehr gleichzeitig ein- und ausfahrende Züge möglich
Der jetzige Kopfbahnhof verfügt derzeit über 9 Zu- und Ablaufstrecken (es wären sogar 11 Zuund
Ablaufgleise bei wieder durchgehend doppelgleisigem Ausbau der Gäubahn und Verwendung des
noch existierenden Gütergleises Kornwestheim-Hbf nutzbar, letzteres erfordert allerdings aufgrund der
Zusammenführung mit dem stadteinwärtigen Gleis der S-Bahn im Bereich Feuerbacher Bahnhof eine
5.Tunnelröhre im Pragtunnel. Dieses Gütergleis liegt durch den Abbau des Güterbahnhofes neben dem
Kopfbahnhof seit Jahren brach, es wird nur noch zu Umleitungen verwendet.). Der Tiefbahnhof
besitzt nur 8 nicht kreuzungsfreie Zu- und Abläufe. Mit anderen Worten: in den Kopfbahnhof
können gleichzeitig 9-11 Züge ein- und ausfahren, in den Tiefbahnhof nur 8 Züge. 40 möglichen
Fahrstraßen im Tiefbahnhof stehen 164 Regelzugfahrstraßen im Kopfbahnhof gegenüber! Somit ist der
vorhandene Kopfbahnhof vier mal flexibler! Die Gäubahn, immerhin die ehemalige Magistrale Zürich-
Berlin, verliert im Großraum Stuttgart durch S 21 ihre eigene Trasse und wird gezwungen, die Gleise der
Flughafen-S-Bahnen S 2 und S 3 mit zu benutzen. Im Flughafenbahnhof wird der S-Bahn eines der
beiden Gleise weggenommen, das andere erhält der Fernverkehr. Hier ist ein planerisches Chaos
vorgesehen, das inzwischen bereits das Eisenbahnbundesamt alarmiert hat. Es ist absolut unverzeihlich,
wenn für viele Milliarden eine bisher optimale Infrastruktur gegenüber einer unflexiblen, beengten zerstört
wird.
 
Folgen für die S-Bahn Stuttgart
Stuttgart 21 erfordert massive Eingriffe ins S-Bahnnetz, die u.a. folgende Nachteile bedingen:
1. Fragwürdige Linienänderungen, die nicht nachfragegesteuert, sondern infrastrukturbedingt sind
2. Fahrzeitverlängerungen
3. Verkürzte, unkomfortable Haltezeiten
4. Anschlußverluste an der Peripherie ( Herrenberg, Schorndorf etc.)
5. Wegfallende Umleitungsmöglichkeiten bei Störungen
6. Verspätungsanfälligkeit des Gesamtsystems
 
Trassierung der Strecke Rohr-Flughafen
Die Trassierung dieser Linie, die bisher nur von S-Bahnen befahren wird, erfolgte aus Ersparnisgründen
auf der Basis der ehemaligen Nebenbahn Rohr-Leinfelden. Diese ist mit ihren engen Kurvenradien und
den somit niedrigen Höchstgeschwindigkeiten eigentlich einer S-Bahn unwürdig, jetzt soll sie plötzlich
sogar mit ICEs befahren werden! War eine Maxime von Stuttgart 21 nicht ein schnellerer Bahnverkehr?
Die besagte Trasse dürfte eigentlich aus heutiger Sicht allenfalls für eine Straßen- oder Stadtbahn
durchgehen. Sie soll niveaugleich an der Rohrer Kurve angebunden werden und im Bereich des
Flughafens für den Fern- und S-Bahnverkehr nur noch je eingleisig ausgeführt werden.
Kapazitätsminderung ist die zwingende Folge, in Zukunft zunehmender Bahnverkehr hat keinen Platz,
Fahrplanstabilität wird der Vergangenheit angehören.
 
7. These:
„Die Bahnhofsgestaltung bei Stuttgart 21 hat negative
Konsequenzen auf den Betrieb und für viele Verbindungen in
die Peripherie des Landes“
Für den neuen Tiefbahnhof sind nur 8 Gleise vorgesehen, nur jeweils 5 können von jeder beliebigen
Richtung angesteuert werden. Wartegleise und Bereitstellungsgleise gibt es nicht, abzustellende Züge sind
kilometerweit bis nach Untertürkheim zu fahren- sie mindern die Kapazität der Tunnelröhren; sie
verursachen unnötige Trassenpreise und überflüssigen Stromverbrauch. Der Kopfbahnhof hingegen
besitzt einen nahegelegenen Abstellbahnhof beim Rosensteinpark der auf eigenen Gleisen
unabhängig angefahren wird. Das führt beim Kopfbahnhof zu einem uneinholbaren
Vorsprung bei der Kapazität!
Auch viele Vertreter des Konzeptes K 21 schlagen vor, den Abstellbahnhof nach Untertürkheim zu
 
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verlegen (aus städtebaulichen Gründen). Aus eisenbahntechnischer Warte gesehen ist dies ungünstig,
auch würde in Untertürkheim weiteres wertvolles Güterbahnhofgelände geopfert.
Im neuen Tiefbahnhof wird, bei gleichem und in Zukunft sogar steigendem Verkehr nur noch die
halbe Bahnsteigfläche angeboten. Unerträgliches Gedränge wird die Folge sein vor allem im
Berufsverkehr. Im bisherigen Kopfbahnhof ist jedes einzelne Gleis ohne eine einzige Treppe
ebenerdig erreichbar, ohne eine einzige Stufe gelangt man auch in die große Halle, um sich etwas zu
essen oder eine Zeitung zu kaufen. Rollstuhlfahrer, Menschen die auf Rollatoren angewiesen sind,
Kinderwagen, Fahrräder- idealer geht es nicht als im Kopfbahnhof. Auch das Argument der langen Wege
beim Umsteigen um die Prellböcke herum sticht nicht mehr. Erstens gibt es unter den Gleisen eine
Unterführung, für diejenigen, denen das Treppensteigen nichts ausmacht. Zweitens benötigen im Zeitalter
der Doppelstockwagen nur noch ganz wenige Züge die volle Bahnsteiglänge.
 
Das eisenbahntechnisch vielleicht größte Manko des geplanten Tiefbahnhofes ist
sein regelwidriges Gefälle von 15,9 Promille.
Eine ausführliche Darstellung dieses eigentlich kriminellen Sachverhaltes findet sich in der Eisenbahn
Revue international 12/2010 auf den Seiten 637ff.
So etwas ist bei S-Bahnstationen und Straßenbahnhaltestellen durchaus tolerabel, nicht aber bei der
großen Eisenbahn. Gleisdoppelbelegungen und Bahnsteigwenden sind bei diesem Gefälle eigentlich nicht
zulässig. Trotzdem schlägt die Bahn in ihrem sogenannten „Stresstest-Fahrplan nicht weniger als 13
Gleisdoppelbelegungen vor!
 
Nach der eisenbahnrechtlichen Definition verliert der Stuttgarter Bahnhof damit seinen Status
als Bahnhof, er wird zur Haltestelle degradiert. Bei einem echten Bahnhof ist nämlich die
Möglichkeit einer Bahnsteigwende Bedingung. Nun könnte man einwenden, der Sinn des
Durchgangsbahnhofes sei es ja gerade, daß Züge durchfahren. Trotzdem werden bei manchen Relationen,
etwa beim IC Nürnberg-Karlsruhe, Bahnsteigwenden erforderlich aufgrund der vorhandenen
Streckenstruktur (sogenanntes „Kopfmachen“). Diese Verbindungen müssen voraussichtlich für den
Tiefbahnhof geopfert werden, die vorgeschlagenen Ersatz-Notlösungen für die zu streichenden
Verbindungen verursachen so große Fahrzeitverlängerungen, Umwege und Behinderungen anderer Züge,
daß sie nicht ernsthaft in Betracht kommen werden. Als maximale Längsneigung bei einem Bahnhof
waren bisher 0,25 Promille zulässig, kürzlich wurde der Wert auf 0,16 Promille verschärft. In Stuttgart
würde dank Stuttgart 21 europaweit der einzige Großbahnhof neu (!!) erbaut mit einem Gefälle
von 15,9 Promille! Daß das Eisenbahnbundesamt diese Planung durchgehen ließ, ist ein großer Skandal.
Der Tiefbahnhof schließt andere Traktionsarten als die elektrische aus !
In den neuen Tiefbahnhof dürfen nur elektrische Fahrzeuge einfahren; dieselbetriebene
Direktverbindungen an den Bodensee und in den Raum Hechingen entfallen durch Stuttgart
21. Die Gäubahn muß einen die Fahrzeit verlängernden Umweg nehmen, und Bad-Cannstatt wird auf
vielen Relationen nur noch über den Umweg Stuttgart Hbf-tief erreicht (aus dem Filstal bzw. dem oberen
Neckartal). Viele Umsteigebeziehungen werden durch S 21 an wesentlich längeren Wartezeiten
leiden, während einige wenige profitieren. Beim Alternativprojekt K 21 hingegen gewinnen alle
Nutzer.
Die viel gepriesenen sogenannten Durchmesserlinien bei Stuttgart 21 sind bei genauerer Analyse häufig
als Bluff zu werten. Sie entstehen unvermeidlich, weil die Züge im Durchgangsbahnhof bekanntlich
weiterfahren müssen (auch wegen des oben angesprochenen Gefälles), ungeachtet des tatsächlichen
Bedarfes. Was ist zum Beispiel (als extremes Beispiel) mit einem durchgehenden Zug Ulm-Stuttgart-
Aalen gewonnen? Durchmesserlinien wären im Kopfbahnhof genauso möglich, aus wirtschaftlichen
Gründen bedient man aber bisher lieber die einzelnen Linienäste mit passenden Zuggarnituren, und fährt
nicht auf einem Ast voll besetzt und auf dem anderen halbleer.
 
Die angebliche Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 zerplatzt wie eine Seifenblase
im Vergleich mit anderen Bahnhöfen.
Dr, Christoph M. Engelhardt veröffentlichte in der „Eisenbahn Revue international“ in der Juninummer
2011 (S.306 bis 309) eine brillant recherchierten Arbeit, in der er nachweist, daß Stuttgart 21 auch mit 10
Gleisen die geforderten 49 Züge pro Stunde nicht sinnvoll schaffen kann. Stuttgart 21 würde mit der von
 
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den Projektbefürwortern behaupteten Leistungsfähigkeit die bisher anerkannten Leistungsgrenzen im
Bahnverkehr aufheben. Die maximal ausgereiztesten Durchgangsbahnhöfe Köln und Hamburg, (knapp
über vier Züge pro Stunde und Gleis) finden sich im Spitzenfeld der unpünklichsten Bahnhöfe und
können nicht mehr nicht als Taktknoten betrieben werden. Sie müssen lediglich den höchstmöglichen
Zugdurchsatz gewährleisten. Hinderliche Doppelbelegungen der Gleise sind die Regel.
Das Argument der Stuttgart 21-Befürworter, der Ringverkehr bei S 21 würde kapazitätserhöhend wirken,
sticht nicht. Ein solcher Ringverkehr wurde in Köln ebenfalls eingerichtet und wird mittlerweile kaum
mehr genutzt. Dr. Christoph M. Engelhardt zeigt in einem Schaubild, daß Stuttgart 21 nach den
Behauptungen der Projektbefürworter die doppelte bis vierfache Leistungsfähigkeit sämtlicher
europäischer Großbahnhöfe hätte, obwohl die zum Einsatz kommende Technik keinesfalls fortschrittlicher
ist als bei anderen europäischen Großbahnhöfen bzw. Bahnhofsprojekten. Es handelt sich hier ganz
offensichtlich um eine gezielt eingesetzte Propagandalüge.
In der öffentlichen Diskussion hielt man Dr. Engelhardt den Bahnhof Brüssel Centraal als Gegenbeispiel
entgegen. Dieser leistet angeblich auf nur 6 Gleisen 8 Züge pro Stunde und Gleis. Das Argument ist
lachhaft. Brüssel Centraal ist lediglich eine verzweigungsfreie Haltestelle an der Verbindungsbahn
zwischen den beiden Brüsseler Großbahnhöfen, nur eine Zuggattung hält, vergleichbar dem
Betriebskonzept einer S-Bahn. Aber vielleicht stellt sich unsere Bahn ja so die Zukunft vor? Nur noch
eine ICE-Linie Mannheim-Ulm und ansonsten Nahverkehrszüge, die ohne jeden sinnvollen Taktfahrplan
in maximaler Dichte bei kürzesten Haltezeiten durch Stuttgart 21 gepreßt werden? Dann könnte in der Tat
die angepriesene Leistungssteigerung möglich sein, aber mit sinnvollem, kundenfreundlichem
Bahnverkehr hätte das überhaupt nichts mehr zu tun! Am besten besorgt sich die Deutsche Bahn hierfür
gleich die „Personen-Hineindrücker“ der Tokioter U-Bahn!
 
Durch Stuttgart 21 werden bisher umsteigefreie Verbindungen gekappt
Während für Stuttgart 21 mit den angeblich so wichtigen Durchmesserlinien geworben wird,
verschwinden gleichzeitig gerade wegen Stuttgart 21 wichtige durchgehende Verbindungen.
Einige Beispiele:
a) Nürnberg Karlsruhe (Ursache: keine Bahnsteigwende zulässig, siehe oben)
b) Stuttgart-Friedrichshafen (Ursache: keine Elektrifizierundg auf der Südbahn)
c) Stuttgart-Hechingen (Ursache: keine Elektrifizierung auf der Zollernbahn)
 
Stuttgart ist ein Bahnhof, bei dem die allermeisten Fahrgäste aus, ein- oder
umsteigen.
Stuttgart ist, zumal als Landeshauptstadt, für die ganz große Mehrheit der Reisenden Ziel oder Beginn
ihrer Fahrt. Günstiger wäre es, durch einen integralen Taktfahrplan Umsteigebeziehungen in jede
Richtung innerhalb weniger Minuten anzubieten. Im Tiefbahnhof werden, aufgrund der nur 8 Gleise, viele
Reisende im Extremfall bis zu einer knappen Stunde auf ihren Anschluß warten.
 
Wie werden umsteigende Reisende durch Stuttgart 21 empfangen?
Im Kopfbahnhof wird man, auch beim Umsteigen (nicht nur wenn man in die Stadt weitergeht) von der
hohen Haupthalle weltstädtisch stilvoll und akustisch angenehm empfangen- ein Ort der Begegnung und
des Abschieds, für den bequemen Kauf einer Zeitung, eines Buches oder einer kleinen Erfrischung. Diese
Halle ist die wahre Visitenkarte der Stadt. Die neue, bei Stuttgart 21 geplante Empfangshalle wäre
nur noch eine niedrige, dunkel-dumpfe Verteilerhöhle, von den Gleisen ausschließlich durch Treppen,
Rolltreppen und Aufzüge erreichbar, ein optisch und von der Geräuschkulisse her unangenehmer,
gruftiger Science-Fiction-Ort-niemals die neue Visitenkarte der Stadt, wie in der Werbung für Stuttgart 21
vollmundig behauptet.
 
Dampflokfreunde sind von Stuttgart 21 überhaupt nicht begeistert.
Was für dieselbetriebene Fahrzeuge gilt, die bei großflächigen Stromausfällen einen Notbetrieb
aufrechterhalten könnten, wenn der Tiefbahnhof nicht gebaut würde, gilt auch für die beliebten
Dampfloksonderfahrten. Weder Diesel- noch dampfbetriebene Triebfahrzeuge dürfen Stuttgart 21
anfahren.
 
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Sind Kopfbahnhöfe wieder im Kommen?
Galten Kopfbahnhöfe vor einigen Jahren noch aus technischen Gründen als veraltet, spielen heute andere
Gesichtspunkte eine wichtigere Rolle. Die Lokwechsel gehören im Zeitalter der Triebwagen und
Steuerwagen der Vergangenheit an, das zentrale Argument für den Durchgangsbahnhof ist also entfallen.
Auch die Haltezeit spricht nicht gegen den Kopfbahnhof. Die im Tiefbahnhof angenommenen 1-2
Minuten sind völlig unrealistisch, das findet sich bei entsprechenden Bahnhöfen nicht im Inland und erst
recht nicht im Ausland. Die extrem schnellen Freccia rossa in Italien beispielsweise gewähren recht lange
Aufenthaltszeiten auf den Unterwegsbahnhöfen. In den Mittelmeerländern schafft man so auch einen
Puffer gegen Verspätungen und fährt trotzdem durchschnittlich viel schneller als hierzulande. Die
Spanier gewähren daher ab 5 Minuten Verspätung Reisepreiserstattungen!
Selbst zur Dampflokzeit waren 4-6 Minuten inklusive Lokwechsel bei durchgehenden internationalen
Schnellzügen im Stuttgarter Kopfbahnhof der Normalfall.
Kopfbahnhöfe haben aus heutiger Sicht vor allem vier Vorteile:
a) das Umsteigen geschieht ebenerdig und bequem, die Haupthalle ist sofort erreicht
b) Kopfbahnhöfe sind barrierefrei
c) Kopfbahnhöfe puffern Verspätungen besser ab durch ihre höhere Gleiszahl
d) Kopfbahnhöfe leisten integrale Taktfahrpläne, weil sie mehr Gleise vorhalten müssen als
Durchgangsbahnhöfe.
 
Beispiel Union Station Chicago
Neben durchgehenden Regionalverkehrsgleisen der Gesellschaft Metra weist dieser Bahnhof für den
Fernverkehr strukturell eigentlich 12 Durchgangsgleise auf, die aber in der Mitte durch einen Gang
unterbrochen sind. Dadurch entstehen gleichsam zwei miteinander verbundene Kopfbahnhöfe mit
insgesamt 24 Gleisen, 12 nach Süden, 12 nach Norden. Begründet wird dies wie folgt:
a) Das Gepäck gelangt ebenerdig von Gleis zu Gleis. (Kostenloser Gepäckwagen-Service ist in den USA
immer noch Standard!)
b) Da in Chicago vor allem ein, um. oder ausgestiegen wird (wie in Stuttgart), erreichen Reisende ihren
Anschlußzug ohne eine einzige Treppe nach wenigen Metern.
c) Barrierefreiheit wird in den USA viel ernster genommen als bei uns. Rollstuhlfahrer, Rollatoren,
Kofferkulis und dergleichen mehr haben es in Chicago daher ganz einfach.
 
8. These:
„Es gibt keine Kostenwahrheit bei S 21/Beispiel S 60“
Die S 60 Böblingen-Rutesheim (Rankbachbahn) ist viele Jahre verzögert und immer noch nicht fertig, Die
Kosten sind inzwischen von 93 Millionen auf über 150 Millionen explodiert (Quelle STZ).
Der Kostensteigerungsfaktor beträgt bisher: 1,61. Auf S 21 plus hochgerechnet ergeben sich cirka 9,3
Milliarden…
(Die Kostensteigerungen bei den Neubaustrecken Köln-Frankfurt und Nürnberg-Ingolstadt erreichten
einen Faktor 2,3 bzw. 1,8, das bedeutet auf Stuttgart 21 übertragen einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Dazu paßt, daß Schweizer Experten, die sich bei Tunnelbauten bestens auskennen, für Stuttgart 21 (66
geplante Tunnelkilometer) Kosten von bis zu 11 Milliarden Euro nicht ausschließen wollen. In ihrer
Berechnung vergleichen diese Experten den fast 10km kürzeren Gotthard-Basistunnel und seine Kosten
mit Stuttgart 21, wo immerhin 66 km Tunnelröhren geplant sind.
 
9. These:
„Die Entscheidungszeiträume bei S 21 waren bewußt kurz
bemessen, um das Projekt möglichst geräuschlos
durchzudrücken“
Die Gemeinderäte hatten nur drei Tage zur Entscheidungsfindung.
 
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Am 24.2.1994 unterschrieb Heinz Dürr einen Informationsvermerk zuerst gegen S 21/am 18. April 1994-
nur sechs Wochen später stellte Heinz Dürr das Projekt einer staunenden bis entsetzten Öffentlichkeit
vor. In diesen sechs Wochen konnte unmöglich eine fahrplantechnische Prüfung des Gesamtprojektes
vorgenommen werden. (Quelle: „Eisenbahn-Revue international“ 2010/11)
 
10. These:
„Die sogenannte Flughafenanbindung bei Stuttgart 21 ist als
durchsichtige Propaganda zu werten“.
Der Flughafen ist über die S 2 und die S 3 bereits gut angebunden. Wenn eine bessere Flughafen- und
Messeanbindung so wichtig wäre, könnte man den Stuttgarter Airport schon heute, mühelos
quasi im Vorlauf zu S 21/K 21 besser anbinden. Und zwar ohne einen Meter Gleis neu bauen
zu müssen! Beispiele:
a) Halt der Regionalzüge in S-Vaihingen oder Rohr zwecks Umstieg in die S 2 und S 3.
b) Elektrotriebwagen der S-Bahn-ähnlichen Baureihe ET 425 können ab Würzburg oder Karlsruhe oder
Aalen/Crailsheim z.B. als RE oder IRE ab Hbf weiterfahren auf der Gäubahn, Fahrzeit Hbf-Flughafen 18
Minuten, bei Halt in Vaihingen oder Rohr oder Leinfelden 20 Minuten.
Daß dies nicht gemacht wird, beweist, daß entweder kein Bedarf dafür vorhanden ist oder daß man die
durch S-21 erzielten Fahrzeitgewinne besonders drastisch aussehen lassen will.
Mangels Nachfrage fährt derzeit nur jede zweite S 2 und S 3 in der HVZ zum Flughafen.
Es ist nicht Aufgabe der Bahn, einen nachrangigen Flughafen wie Stuttgart an den
Hochgeschwindigkeitsverkehr anzubinden, und dadurch die Menschen erst recht zum Fliegen
zu animieren.
 
Es kann und darf auch nicht Aufgabe der Bahn sein, die fragwürdige Entscheidung, die Messe an den
Flughafen zu verlegen, im nachhinein zu rechtfertigen. Auf dem Killesberg schrieb die Messe schwarze
Zahlen, erst 1993 wurde sie mit dreistelligem Millionenaufwand an das Stuttgarter Stadtbahn-Netz
angeschlossen, mit nur 5 Minuten Fahrzeit ab Stuttgart Hauptbahnhof! An ihrem neuen Standort schreibt
die Messe jetzt rote Zahlen. Es ist absolut nicht einzusehen, daß durch eine unwirtschaftliche
Flughafenanbindung diese unökonomische Investition nachträglich legitimiert werden soll.
 
Ist der Flughafenanschluß über die NBS Stuttgart-Ulm überhaupt bequem?
Bei Stuttgart 21 wird der Airport vom Hauptbahnhof aus angeblich in nur 8 Minuten angefahren. Wer aus
dem Umland kommt, muß hierfür in aller Regel umsteigen und verliert teilweise viel Zeit. Mangels
integralem Taktfahrplan wird ein passender Anschluß an einen Zug, der den Filderaufstiegstunnel befährt,
eher Zufall sein. Sitzt ein Reisender aber bereits in der S2 oder S3 oder hat er am Hauptbahnhof tief (SBahnstation)
einen zweiminütigen Anschluß von einer anderen S-Bahn her, wird er mit seinem womöglich
schweren Gepäck lieber sitzenbleiben, denn er landet schließlich mit der S-Bahn direkt am Terminal. Der
zweite Flughafenbahnhof, der im Zuge der NBS Stuttgart-Ulm entstehen soll, liegt fast 30m tief. Alleine
bis man an der Oberfläche angelangt und zum Terminal gelaufen ist, vergeht genausoviel Zeit, wie wenn
man die preisgünstig zum Verbundtarif nutzbare Express-S-Bahn bei K 20 oder K 21 nützt! Diese aber
bringt die Reisenden in komfortabler Weise direkt ans Ziel!
Wollte man auch die Räume Tübingen/Göppingen/Ulm durch Regional- und S-Bahnverkehr besser an
den Flughafen und die Filder anbinden, könnte man die Flughafenstrecke nach Wendlingen verlängern.
Das würde höchstens ein paar Prozent gegenüber dem Gesamtpaket Stuttgart 21 kosten.
Die optimale Lösung wäre es allerdings, den Flughafen durch die geplante Ring-S-Bahn des
Alternativprojektes K 21 zu erschließen. Dieses exzellente Konzept, das auch den Raum Bad-Cannstatt
erstklassig an die Filder, die Messe und den Flughafen anbindet, ist jedoch nur dann wirtschaftlich, wenn
auch die Neubaustrecke nach Ulm kommt.
 
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11. These:
„In anderen Ländern werden große Kopfbahnhöfe renoviert
und allenfalls durch zusätzliche kleine Tiefbahnhöfe ergänzt“.
Zürich: Ein beeindruckendes Beispiel ist der Ausbau des Züricher Kopfbahnhofes, die Kosten lagen
angeblich bei 435 000 000 Euro. Ein im „Stern“veröffentlichtes Geheimpapier der DB nennt für den
etwas kleineren Kopfbahnhof in Stuttgart 340 000 000 Euro. Das paßt gut zu dem Züricher Wert. In
ihren offiziellen Verlautbarungen arbeitet die Bahn allerdings mit einem Milliardenbetrag, ganz
offensichtlich um die Öffentlichkeit davon abzuschrecken, über eine Renovation des Kopfbahnhofe
überhaupt erst nachzudenken.
 
Malmö: Der Kopfbahnhofes Malmö wurde ohne jeden Abstrich beibehalten, ein zusätzlicher
Tiefbahnhof verbindet eine neue Strecke unter der Stadt mit dem Kopfbahnhof, ein neuer Stadteil (an der
Peripherie, kein Abriß historischer Gebäude ist erfolgt) wird hauptsächlich durch die Bahn erschlossen,
vorerst verkehren 350 zusätzliche Züge pro Tag, 450 sind geplant!! (Zum Vergleich Stuttgart heute
etwa 650 Züge,). Das Projekt war eine Milliarde schwedische Kronen billiger als geplant und ein Jahr
früher fertig als vorgesehen, Die Bauzeit lag deutlich unter zehn Jahren (Gesamtkosten unter 1 Milliarde
Euro). Die Zulaufstrecken sind sehr gut gestaltet, es handelt sich hier um ein absolutes Lehrbeispiel für K
21- die Projektbefürworter haben ein großes Eigentor geschossen, als sie Malmö im Sommer 2010 als
Argument für ihr Projekt in der STZ verwendet haben.
 
Mailand: Der Hauptbahnhof von Mailand, ein großer Kopfbahnhof, wurde außerordentlich
kundenfreundlich renoviert.
 
12. These
„Die durch die IGA 1993 geschaffene Vernetzung der
Stuttgarter Parks wird durch Stuttgart 21 konterkariert“
Die vielen reizvollen Stuttgarter Parkanlagen schenken der Stadt willkommene grüne Oasen. Im Jahre
1993 wurden im Rahmen der internationalen Gartenausstellung der Höhenpark Killesberg, der
Leibfriedsche Garten, die Villa-Berg-Anlagen, der Rosensteinpark sowie unterer, mittlerer und oberer
Schloßgarten mit hohem Aufwand zu einem zusammenhängenden System verbunden. Dieser
neugeschaffenen Einheit droht durch Stuttgart 21 das Zerreißen am beliebtesten und sensibelsten Ort, an
der Nahtstelle zwischen oberem und mittlerem Schloßgarten. Der im Volksmund „Glubschaugenriegel“
genannte Ingenhovensche Betonwall des nur teilweise vergrabenen S 21-Bahnhofs blockiert die
historische, uralte Sichtachse Richtung Bad-Cannstatt. Der sogenannte Straßburger Platz, von vielen
Architekten zu Recht als Unort bezeichnet, stellt eigentlich eine Beleidigung der Stuttgarter Partnerstadt
Straßburg dar. In Straßburg wird sehr viel unternommen, historische wertvolle Bausubstanz mit der
Moderne zu verknüpfen, die neue Straßenbahn wurde und wird harmonisch in das Stadtbild
hineinkomponiert, was man von der Stuttgarter Stadtbahn, so wertvoll sie ist, nicht gerade behaupten kann.
 
Kleiner Exkurs in die jüngere Stadtgeschichte
Nach den massiven Zerstörungen durch den zweiten Weltkrieg gefielen sich die Stuttgarter Stadtväter
darin, für den vermeintlichen Fortschritt das wenige erhaltene und wertvolle an alter Bausubstanz erst
recht abzureißen. Entschlossener Bürgerwiderstand konnte das Neue Schloß und die Elsässersche
Markthalle retten, das Kaufhaus Schocken oder das Kronprinzenpalais, das heute im durchaus
spektakulären Schloßplatz-Gesamtensemble schmerzlich vermißt wird, konnten nicht erhalten werden.
Breite Stadtautobahnen waren die Devise der Zeit, Politiker derselben Parteien, die die Zerschneidung der
Stadt durch die Bahnanlagen als Gleiswüste und schmerzliche Wunde beklagen, hatten keine Probleme
damit, den engen Talkessel mit häßlichen, teilweise 10- und mehrspurigen Autoschneisen rücksichtslos
zuzupflastern und in voneinander isolierte Sektoren zu zerlegen. Der zu dieser Zeit erbaute, mit dem
Bonatz-Preis ausgezeichnete Kleine Schloßplatz war ein häßlicher Nicht-Ort, der in dieser Form längst
wieder beseitigt wurde. Heute konzentriert sich der Kampf der Bürgerschaft auf den Erhalt des Hotels
 
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Silber, des Bahndirektionsgebäudes und auf die Rettung des Bonatz-Scholer Bahnhofsbaues. Dieses
markante und unglaublich durchdachte Gebäude, teilweise bereits amputiert, soll auch noch den Südflügel
verlieren, es wird rabiat entkernt und innen perforiert. Ein weltweit geachtetes Denkmal soll einfach so
geschleift werden; der isolierte Restbau würde dann wohl den nicht vorzeigbaren Straßburger Platz und
die Ingenhovensche Perry-Rhodan-Architektur vor den Blicken der Flaneure der unteren Königstraße
schamhaft verbergen.
 
Das Schicksal des mittleren Schloßgartens bei Stuttgart 21
Durch S 21 wird der mittlere Schloßgarten zur grünen Schlucht, eingezwängt in ein technokratisches,
brutales „U“, gebildet aus dem Betonriegel des schief herausragenden Tiefbahnhofes, der unattraktiven
Blockbebauung über den ehemaligen Gleisen und den lieblos hingeklotzten Ministeriumsbauten an der B
14. Der mittlere Schloßgarten verkommt so zum Hinterhof für die Zigarettenpausen der Ministerialen. Die
Sicht auf die vielfach bewunderten Stuttgarter Hügel, das fast mediterrane Flair geht unter. Übrig bleibt
ein Alibi-Grünstreifen, der niemals ein Gegengewicht zu der wuchtigen, beidseitigen Verbauung bilden
kann. Überhaupt gibt es ein Hauptproblem bei der Rezeption von Stuttgart 21: Aus der Vogelperspektive
(im Turmforum oder im Rathaus) sieht für manche die S-21-Planung recht beeindruckend aus, das sei
durchaus zugestanden. Wenn man sich aber Stuttgart 21 in der realen Ebene des Betrachters vorstellt,
dann entfaltet es seine ganze Häßlichkeit.
 
Die wahre Ursache der Verlärmung des unteren Schloßgartens
Lautstark beklagt die CDU die Verlärmung dieses Parks durch die Züge. Diese Aussage ist eine
hinterlistige Verdrehung des wahren Sachverhaltes. Trotz der hohen Lärmschutzmauer und des von
80km/h auf 50km/h abgesenkten, durch scharf eingestellte Radarfallen durchgesetzten Tempolimits hört
man im unteren Schloßgarten vor allem eines: Autos, Autos und nochmals Autos. Die ab und zu akustisch
wesentlich leiser in Erscheinung tretenden Züge erscheinen dagegen fast als Wohltat für das Ohr des
Parkbesuchers.
 
III. Zum Nachdenken:
a) Transparancy international“
Beim internationalen Korruptionsindex schließt Deutschland seit Jahren ungünstig ab. Ist es wirklich
Zufall, daß die skandinavischen Länder, die Niederlande und die Schweiz bei diesem Index immer die
Spitzenplätze einnehmen und gleichzeitig nur sinnvolle Bahngroßprojekte betreiben, die, wie etwa in
Malmö, Kapazitätssteigerungen weit über denen von Stuttgart 21 bieten, die aber, wie in Malmö
geschehen, ein Jahr früher, als geplant fertiggestellt werden und dabei den Planansatz um rund 10% der
Kosten unterschreiten?
 
Falsch gesetzte Anreize
Die Eisenbahn Revue international schreibt in ihrer Ausgabe vom Juni 2011 auf Seite 309:
„“Um die …genannten bahntechnischen Unglaublichkeiten (bei Stuttgart 21) einordnen zu können,
müssen aber die Randbedingungen kurz angerissen werden….Hinzu kommen die…ergebnisorientierten
Millionen-Boni des oberen Managements…über die sich bei Rückabwicklung von S 21 empfindliche
Verdienst-Einbussen ergeben würden“ Dieser Tatbestand erklärt zwanglos den verbissenen Eifer, mit
dem Bahnvorstand Grube um Stuttgart 21 kämpft. Der Autor Dr. Christoph M. Engelhardt fährt
fort:“Für die Kritiklosigkeit der Geldgeber auf Seiten des Landes und der Region mag auch die Nähe
einiger von S 21 profitierender Unternehmen zu der früheren baden-württembergischen
Landesregierung eine Rolle gespielt haben, sei es über Parteispenden, Aufsichtsratposten oder
Stiftungstätigkeiten.“
b) Pressefreiheitsindex
Der internationale Pressefreiheitsindex plaziert wiederum die Schweiz und Skandinavien ganz vorn.
Deutschland konnte sich zwar 2010 vom 23. auf den 17. Platz vorarbeiten, aber ist es wirklich
verwunderlich, daß eine freie, investigative Presse unwirtschaftliche Großprojekte wie Stuttgart 21 in
Skandinavien verhindern kann?
 
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Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten berichteten bis 2008 im wesentlichen nur positiv über
Stuttgart 21, BILD-Stuttgart macht bis auf den heutigen Tag die Stuttgart-21-Gegner lächerlich. Das
Gegenteil von Pressefreiheit sind auch steuerfinanzierte millionenteure Werbekampagnen der
Projektbefürworter, die mit nachweislichen Falschaussagen aufwarten.
c) Investitionen in die Schieneninfrastruktur im internationalen Vergleich
Hier schneidet Deutschland im Kreis wichtiger Industrienationen auffallend schlecht ab. Betrachten wir
zwei Gesichtspunkte im internationalen Vergleich anhand ausgewählter, wichtiger Länder:
 
I. Pro Kopfinvestitionen in die Bahn: An der Spitze befindet sich, wie so oft, die Schweiz mit 358.-, es
folgen Österreich mit 230.-, Schweden mit 164.-, die Niederlande mit 159.-, Großbritannien (man glaubt
es kaum!) immerhin 125.-, Spanien 114.-, Italien 99.-, Frankreich 90.- und am unteren Ende der Skala
findet sich schließlich Deutschland mitarmseligen 53.-, und das trotz der starken deutschen Wirtschaft!
II. Noch krasser ist folgende Aufstellung, nämlich das Investitionsvolumen Schiene versus Straße.
Drei Länder seien erwähnt:
Österreich 257(Schiene) zu 100(Straße)
Schweiz 130(Schiene) zu100 (Straße)
Deutschland beschämende 81(Schiene) zu100 (Straße).
Auf diesem Hintergrund ist es nur als verwerflich zu bezeichnen, daß so viele Mittel in Stuttgart 21
fließen, wo es zugleich im deutschen Schienennetz hinten und vorne fehlt!
d) Aber Stuttgart 21 hat den Streßtest doch bestanden?
Wer für so viele Milliarden einen neuen Bahnhof bauen möchte, darf dies nur tun, wenn er
Premiumqualität nachweisen kann. (Die übrigens unser jetziger Kopfbahnhof hat, vgl. auch die ständigen
Bestnoten bei der Pünktlichkeit, wie sie von Stiftung Warentest bescheinigt werden!) Der Streßtest
attestiert Stuttgart 21 aber lediglich eine „wirtschaftlich optimale Betriebsqualität“, das heißt im Klartext,
der Bahnhof ist zwar für die Gewinnerwartungen der Bahn interessant, fällt aber gegenüber dem jetzigen
Bahnhof weit zurück. Der Streßtest ergibt daher für einen logisch denkenden Zeitgenossen: der jetzige
Bahnhof muß bleiben, Stuttgart 21 ist durchgefallen!
Drei wichtige Beobachtungen unterstreichen diese Schlußfolgerung.
I. Der Stuttgart 21-Schlichter Heiner Geißler und SMA-Chef Werner Stohler, dessen Firma den Streßtest
durchgeführt hat, schlagen anstatt von Stuttgart 21 eine Kombilösung vor (verkleinerter Tiefbahnhof,
renovierter, um einige Gleise reduzierter Kopfbahnhof). Das sei nach seiner Aussage dreimal
leistungsfähiger und weitaus preiswerter. Die Beispiele Zürich und Malmö geben ihm zu 100% recht.
II. Wenn man den „Streßtest“ genau liest, beobachtet man, daß zahllose Punkte an Stuttgart 21 kritisiert
werden. Wendet man dieselben Kriterien auf den bestehenden Kopfbahnhof an, schneidet dieser
durchweg besser ab.
III. Obwohl die Projektgegner angeboten haben, daß der bestehende Kopfbahnhof dem gleichen Streßtest
wie Stuttgart 21 unterzogen werden sollte, weil sie überzeugt sind, daß er besser abschneiden wird,
weigern sich Bahn, CDU/FDP/SPD und Bund beharrlich, den bestehenden Bahnhof oder auch
Geißlers/Stohlers Kombilösung einem Streßtest zu unterziehen. Es ist offensichtlich, daß man eine
Blamage für Stuttgart 21 fürchtet. Zur Zeit (im Herbst 2011) sammeln die „Ingenieure gegen Stuttgart
21“ Spenden, um einen Streßtest für den Kopfbahnhof durchführen zu können, um endgültig zu
beweisen, wie schlecht Stuttgart 21 im Verhältnis zum Kopfbahnhof tatsächlich ist.
Die Firma SMA erhält die meisten Aufträge von der DB, trotzdem getraut sich ihr Chef, seine wahre
Meinung über Stuttgart 21 zu sagen. Vernichtender kann Stuttgart 21 nicht beurteilt werden als aus dem
Munde eines solchen, international renommierten Fachmannes!
Felix Berschin untersuchte in der Oktobernummer 2011 der „Eisenbahnrevue international“ (Seite 510-
514) im Oktober die Ergebnisse des Stresstests unter dem Titel „Stress mit dem Stresstest“. Unter
 
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anderem zeigt er folgende Mängel des zugrundeliegenden Fahrplanes der DB auf, der, aufgrund der
knappen Infrastruktur bei Stuttgart 21, kaum optimierbar ist.
 
1. Auch wesentlich längere Umsteigezeiten in der Fläche, bedingt durch Stuttgart 21!
Die mittlere Umsteigezeit im Bahnhof Ulm liegt derzeit bei 7,9 Minuten. Durch Stuttgart 21 wird sie auf
19,7 Minuten steigen. Damit ist die Hälfte des Fahrzeitgewinnes von 24 Minuten durch die sündhaft teure
Neubaustrecke Stuttgart-Ulm für umsteigende Reisende bereits wieder aufgezehrt.
 
2. Bestehende exzellente Anschlüsse in der Fläche werden zerstört durch S 21
Beipiele:
a)Herrenberg (Anschluß Ammertalbahn)
b) Gleiches gilt für Aalen (Richtung Heidenheim)
c) Freudenstadt (Richtung Kinzigtal).
 
3. Massive Anschlussverschlechterungen in Folge von Stuttgart 21
a) Wieslauftalbahn
b) Ermstalbahn.
Damit werden aufwändig mit Steuergeldern reaktivierte Strecken wieder unrentabel (2a oder 3b).
 
4. Nicht nur in Stuttgart wird ein integraler Taktfahrplan verhindert.
Heute bestehende Umsteigeknoten (z.B. Ulm) werden in ihrer Funktion kaputt gemacht.
 
5. Verspätungen bauen sich weiter auf.
6. Sinnlose, unwirtschaftliche Durchbindungen werden erzwungen
Züge müssen fast leer weiterfahren-ohne eigentlichen Bedarf, weil es bei Stuttgart 21 nicht anders geht.
Damit zeigt sich: Stuttgart 21 ist eben nicht ein Quantensprung für den Bahnverkehr. Vielmehr schadet es
auch ganz massiv dem Bahnverkehr in der Fläche.
e) Dialogfähigkeit der Stuttgart-21 Befürworter
Die Gegner von Stuttgart 21 waren bereit, über den von Heiner Geißler und SMA-Chef Werner Stohler
vorgeschlagenen Kompromiß eines Kombibahnhofes zu reden. Die Befürworter zeigten hingegen nicht
die geringste Kompromißbereitschaft. Das zeigt schlagend, welche der beiden Konfliktparteien
keine Befriedung der Situation wünscht.
f) Das optimierte Alternativkonzept „Kopfbahnhof 21“ ist weitaus
leistungsfähiger als Stuttgart 21
 
Neueste Alternative von Vieregg und Rößler
Am 5.10.2011 stellten die renommierten Münchner Verkehrsgutachter Martin Vieregg und Karlheinz
Rößler ihre neueste Version für einen optimierten Kopfbahnhof vor. Durch den Wegfall der
Gepäckbahnsteige könnten bei Bedarf im jetzigen Bahnhof anstatt der 17 Gleise bis zu 29 Gleise
untergebracht werden! Der Tiefbahnhof Stuttgart 21 mit seinen nur 8 Gleisen ist demgegenüber nicht
erweiterbar. In der Spitzenstunde zwischen 7 und 8 Uhr könnte ein renovierter Kopfbahnhof -bei 16 bzw.
17 Gleisen- bis zu 72 ankommende Züge zu bewältigen. Stuttgart 21 kann die behaupteten 49 Züge zur
Spitzenstunde nur mit zahlreichen Gleisdoppelbelegungen und unrealistisch kurzen Haltezeiten darstellen.
Das verfeinerte Konzept von Vieregg und Rößler wäre für ca. 600 Millionen Euro zu haben, während für
Stuttgart 21 inzwischen der Risikopuffer fast vollständig aufgebraucht ist und bereits jetzt ca. 4,5
Milliarden an Kosten kommuniziert werden, ohne daß mit den eigentlichen Baumaßnahmen überhaupt
begonnen worden wäre! Vieregg und Rößler weisen darauf hin, daß mittels eines zusätzlichen
viergleisigen Tiefbahnhofes in Tallängsrichtung bis zu 106 Zugankünfte in der Spitzenstunde möglich
wären! Damit stützen sie die These von SMA-Chef Stohler, der einem Kombibahnhof die dreifache
Leistungsfähigkeit attestiert zu wesentlich geringeren Kosten.
 
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Vergleichende Expertise (K 21-S 21) im Auftrag der Nahverkehrsgesellschaft Baden-
Württemberg blieb in der Schublade
Diese bei der SMA in Auftrag gegebene Expertise kommt zu dem Ergebnis, daß das Konzept „K 21“ auf
wichtigen, viel genutzten Strecken die Fahrzeit eher reduziert als Stuttgart 21. Das Papier mit dem Titel
„Stuttgart 21 und Kopfbahnhof 21-vergleichende Analyse der Reisezeiten“, trägt das Datum 26.11.
2010. Nicht weniger als 38 220 mögliche Reiseverbindungen wurden untersucht. K 21 schnitt wesentlich
besser ab als S 21. Es wundert einen nicht, daß Tanja Gönner (CDU), die damalige Verkehrsministerin,
das Papier der Öffentlichkeit vorenthielt. Die Stuttgarter Zeitung berichtete ausführlich am 15.10.2011
über diese gezielte Irreführung der Öffentlichkeit. Die Expertise kann auf der Homepage des neuen, grün
geführten Verkehrsministeriums nachgelesen werden.
g) Bruch von Wahlversprechen durch die CDU
Ferner wird überdeutlich, daß es letztlich gar nicht um den Bahnhof gehen kann, denn die
eisenbahntechnisch besseren Konzepte K 21 oder Kombilösung (beide leisten im Gegensatz zu S 21
den integralen Taktfahrplan) stören ganz offensichtlich die geplanten Immobiliengeschäfte und dürfen
daher nicht einmal erörtert werden. Besonders negativ fällt hier wieder einmal die CDU Baden-
Württemberg auf: sie plakatierte noch im Landtagswahlkampf „Ja zum Schlichterspruch“. Jetzt hat
Heiner Geißler in Form der Kombilösung seinen Schlichterspruch verkündet. Die CDU denkt nicht
daran, den Schlichterspruch auch nur im entferntesten in Erwägung zu ziehen. Parteien, die ihre
Wahlversprechen mit derartiger Chuzpe brechen, dürfen sich nicht über zwangsläufig entstehende
Politikverdrossenheit wundern!
h) Unerträgliche Äußerungen eines SPD-Spitzenpolitikers
Der SPD-Spitzenpolitiker Claus Schmiedel wähnt gar „Gottes Segen“ auf dem Projekt Stuttgart 21-
angesichts der Spaltung der Gesellschaft und des Unfriedens, den Stuttgart 21 bisher erzeugt hat, darf
eine solche Äußerung durchaus als blasphemisch gewertet werden. Hinzu kommt, daß er die Stuttgart-21-
Befürworter als „die Guten“ bezeichnet- im Umkehrschluß sind somit die Gegner die Bösen? Eher doch
wohl, um in dieser Rhethorik zu bleiben- die „Besseren“! Schmiedel wirft den Pfarrern und Theologen,
die gegen die neue Messe auf den Fildern waren, vor, die Geschichte hätte sie widerlegt. Mit dieser
Argumentation will Schmiedel indirekt die TheologInnen gegen Stuttgart 21 treffen.
Schmiedel schießt hier ein gigantisches Eigentor. Die neue Messe am Flughafen schreibt rote Zahlen,
seit sie existiert. Die alte Messe am Killesberg schrieb schwarze Zahlen und wurde noch 1993 durch
einen dreistelligen Millionenbetrag über eine neue Stadtbahn erschlossen. Schmiedels Art zu
argumentieren ist durchaus geeignet, das bürgerliche Vorurteil, daß Sozialdemokraten nicht mit Geld
umgehen können, zu bestätigen. Aus all den oben erwähnten Gründen ergibt sich zwingend, daß sogar
sämtliche Stuttgart 21 befürwortende Parteien- CDU, FDP und SPD- ganz offensichtlich Schwierigkeiten
haben, verantwortungsbewußt mit unseren Steuergeldern umzugehen.
i) Und was ist mit den Ausstiegskosten?
Die Befürworter von Stuttgart 21 zeichnen ein absolut verzerrtes Horrorbild von 1,5 Milliarden
Ausstiegskosten. Der Ingenieur Hans Heydemann hat in seinem Papier vom 15.10.2011 überzeugend
dargelegt, daß bisher gerade mal 277 Millionen an aufgelaufenen Planungskosten und verlorenen Kosten
bei Aufgabe des „Irrsinnsprojektes“ S 21 anfielen. Alle darüber hinausgehenden Beträge müßte die Bahn
gerichtlich durchsetzen, und es ist fraglich, ob sie dabei jemals Recht bekäme. Die betreffenden Beträge
würden ohnehin großenteils nur zwischen diversen öffentlichen Etats hin und her geschoben, sind also für
den Steuerzahler weitgehend irrelevant.
 
Das Land Baden-Württemberg ist gegenüber der Bahn im Vorteil
Fährt die Bahn eine knallharte Konfrontationsstrategie bei einem Ausstieg aus S 21, könnte das Land
zukünftig Nahverkehrsleistungen bei anderen Anbietern bestellen. Das Land sitzt somit am längeren
Hebel. Private Anbieter sowie die Karlsruher Stadtbahn warten nur darauf, mit besserem Service als die
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DB AG viel mehr Strecken zu betreiben, als bisher. Eine Kampfansage der Bahn an das Land ist nur
rhethorisches Geplänkel. Die Bahn hat viel zu viele Aufträge zu verlieren.
 
IV. Fazit
Warum Stuttgart 21 weder schneller, komfortabler noch
zukunftsorientiert ist
Aus all den genannten Argumenten ergibt sich, daß die drei Hauptparameter, mit denen man für Stuttgart
21 wirbt, in keiner Weise zutreffen. Weder ist der Bahnhof schneller (eine Beschleunigung ergibt sich im
wesentlichen über eine Neubaustrecke nach Ulm, an die der Kopfbahnhof genauso angeschlossen werden
kann, das hat mittlerweile sogar Herr Ramsauer verstanden), noch ist er komfortabler-das reine Gegenteil
ist der Fall. Schon gar nicht ist er zukunftsorientiert, weil er das derzeit modernste Fahrplankonzept, den
integralen Taktfahrplan, nicht leistet. Die sogenannte Parkerweiterung als Argument ist bei Licht betrachtet
eine demagogische Verdrehung. Durch den Eingriff in den mittleren Schloßgarten war die Bahn
verpflichtet, eine Ausgleichsmaßnahme vorzusehen, die den Verlust an zentraler Stelle der Stadt aber
niemals aufwiegen kann.
 
Ökologie und Ökonomie passen nicht zu Stuttgart 21
Das Argument mit der Ökologie bei Stuttgart 21 ist aufgrund der viel höheren Energieverbräuche blanker
Hohn, dabei sind die klimatologischen Auswirkungen auf den Stuttgarter Talkessel noch nicht einmal
berücksichtigt. Schließlich bleibt noch der Städtebau. Man wirbt mit den freiwerdenden Gleisflächen.
Niemand scheint sich aber Gedanken darüber zu machen, daß es sich hier in erster Linie um ehemalige
Güterverkehrsareale handelt. Die freiwerdenden Flächen wurden nämlich, ohne daß dies der
Öffentlichkeit groß auffiel, zehn- und zwanzigfach im Umland wieder versiegelt in Form von
Lastwagenspeditionen, die großenteils sogar von der DB betrieben werden. Warum gibt es in
Deutschland immer weniger Güterverkehr auf der Schiene? Die Antwort ist ganz einfach: weil immer
mehr Gleisanschlüsse wegfallen! In Stuttgart wurden einzelnen Firmen 1,5 Millionen Euro angeboten,
wenn sie auf ihren umweltfreundlichen Schienenanschluß verzichteten. In anderen Ländern hingegen wird
im Güterverkehr voll auf die Schiene gesetzt, an der Spitze die USA (70% Anteil), Schweiz (im Transit
auch bereits 70%) oder Schweden (40%). In Deutschland ist der Schienengüterverkehr gegenüber dem
Straßengüterverkehr inzwischen leider fast vernachlässigbar. Im Vorgriff auf Stuttgart 21 hat man
praktisch alle Güterbahnhöfe in Stuttgart zerstört, bewußt oder unbewußt, das sei dahingestellt. Im
Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 wird für den Schienengüterverkehr, der für unsere
exportorientierte Wirtschaft ja so enorm wichtig ist bzw. genauer ausgedrückt, sein sollte, kein Cent
ausgegeben. Es gehört zu den allergrößten Merkwürdigkeiten, daß dies der IHK überhaupt nicht störend
auffällt, obwohl hier doch ein gewaltiges Wettbewerbshindernis für die hiesige Wirtschaft entsteht.
 
Der angebliche Bedarf des Städtebaues in Stuttgart
Auf den freiwerdenden Gleisflächen sollen u.a. Einkaufszentren und Wohnungen entstehen. Die
bestehenden Geschäfte in der Innenstadt fürchten ein Abwandern der Kaufkraft, denn Kundinnen und
Kunden können ihr Geld nur einmal ausgeben. Stuttgart hat jetzt schon höhere Verkaufsflächen pro Kopf
als etwa Metropolen wie New York. Zugleich wurde zwischenzeitlich bekannt, daß Stuttgart andernorts
über enorm viele freie Flächen verfügt. Es drängt sich der Verdacht auf, daß das „Städtebauprojekt“
Stuttgart 21 lediglich die nächste Immobilienblase füttern wird. Bei bereits freigeräumten Gleisflächen
(Güterbahnhof Cannstatt oder Feuerbach) tut sich bislang so gut wie gar nichts. Warnendes Beispiel
sollten die USA oder Spanien sein. Dort waren es nicht nur, wie häufig kolportiert, private Hausbauer, die
ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten und damit die Entstehung der Finanzkrise 2008 mit
provozierten, es waren genauso die öffentlichen Großprojekte in den wichtigen Städten, die die
Verschuldung der Staaten in unerträgliche Höhen getrieben haben. Warnendes Beispiel ist hier die
Untertunnelung Bostons, die statt der prognostizierten 3 Milliarden mit 14 Milliarden abgerechnet wurde.
Die aufgehäufte Schuldenlast trägt der Steuerzahler, während die Investoren satt abgreifen konnten.
Genau dasselbe Muster droht bei Stuttgart 21!
 
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Irrwitzige Kostenrelationen
Gerade einmal die Hälfte des finanziellen Volumens, das für den neuen Stadtteil in Stuttgart, für
Stuttgart 21 und die Neubaustrecke ausgegeben wird, würde ausreichen, um den
Schienengüterverkehr in ganz Deutschland zu verdoppeln. Damit ließen sich die unerträglichen
Lastwagenkolonnen auf den Autobahnen auflockern, weniger Feinstaub aus Dieselruß entstünde, weniger
schwere LKW-Unfälle würden verursacht und viel geringere Mengen an CO2 würden ausgestoßen.
Alleine die Tatsache, daß mit diesen Mitteln in ganz Deutschland soviel Gutes bewirkt werden könnte,
belegt schlagend den ganzen Irrsinn dieses Projektes.
 
Sollen also Stuttgart 21 und die Neubaustrecke gebaut werden?
a) Tiefbahnhof Stuttgart 21
Aus allen vorstehenden Ausführungen ergibt sich zwingend, daß Stuttgart 21 auf gar keinen Fall gebaut
werden darf. Stuttgart 21 wäre ein nicht wiedergutzumachender Fehler.
b) Neubaustrecke Stuttgart-Wendlingen-Ulm
Hier ist es schwieriger, eine eindeutige Empfehlung abzugeben, die negativen Argumente überwiegen
deutlich, aber es gibt auch positive Gesichtspunkte.
 
Die wichtigsten Argumente gegen die Neubaustrecke:
a) Die überwundenen Höhenunterschiede sind etwa doppelt so hoch wie bei der Bestandsstrecke.
Stuttgart-Flughafen-Wendlingen: fast 400 Höhenmeter auf und ab, die Alb wird auf 755 über N.N.
überquert (zum Vergleich: Scheitelpunkt der Bestandsstrecke in Beimerstetten 595 über N.N.)
b) Die Steigungen überschreiten teilweise 3% und schließen einen wirtschaftlichen Güterverkehr
vollkommen aus.
c) Neuere Studien belegen, daß die Neubaustrecke im weiteren Verlauf Richtung München die
Zahl der möglichen Güterzugtrassen gegenüber dem Istzustand auf 55% reduziert. Das ist nicht
hinnehmbar.
d) Die Neubaustrecke ist für einen integralen Taktfahrplan nur dann interessant, wenn die Fahrzeit
realistisch auf unter 30 Minuten gedrückt werden kann. Ansonsten käme man auch mit einer ertüchtigten
Filstalbahn aus, die zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn erheblich schneller war aufgrund besseren
Gleiszustandes.
e) Der Untergrund für die geplanten langen Tunnels ist schwer kalkulierbar. Die Kosten sind
wahrscheinlich kaum beherrschbar.
f) Die Wirtschaftlichkeit der Investition ist auf dem Hintergrund der zu erwartenden Kostenexplosion und
der fehlenden Güterverkehrtauglichkeit nicht gegeben. Die Wirtschaftlichkeit von knapp über 1 wurde nur
durch offensichtliche Manipulation erreicht.
g) Die eingesetzten Mittel kannibalisieren womöglich den Ausbau der Gäubahn, Südbahn, Zollernbahn,
Rheintalbahn etc.
 
Die wichtigsten Argumente für die Neubaustrecke:
a) Die Neubaustrecke schafft Kapazitäten auf der Bestandsstrecke, die z.B. für eine Filstal-S-Bahn
Richtung Göppingen genutzt werden könnten.
b) Die Neubaustrecke schafft schnellere Verbindungen aus dem Raum Ulm Richtung Tübingen,
Reutlingen (wenn sie denn angeboten werden), Filder etc.
c) Die NBS ist durch die Anpaarungen an die A 81 und durch die vielen Tunnels landschaftsschonend.
c) Welche Kompromßlinie ist denkbar, wenn man wenigstens die Neubaustrecke
haben möchte?
Man könnte die Neubaustrecke bauen und versuchen, die oben genannten Einwände so gut wie möglich
zu berücksichtigen. Da die NBS mit Sicherheit viel teurer als veranschlagt wird (vgl. alle anderen NBS in
der BRD), wird sich der Bau länger hinziehen, als erwartet, auch aufgrund der geologischen Situation.
Das ergäbe die Möglichkeit, das Alternativprojekt K 21 in der Zwischenzeit in aller Ruhe anzugehen und
mit der erforderlichen Planungstiefe zu erarbeiten.
 
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d) Was könnte passieren, wenn auch die Neubaustrecke sich als undurchführbar
erweist?
Am Ende des Kapitels „Flughafenanbindung, These 10, wurde hierauf bereits eine Antwort gegeben.
Und wenn Stuttgart 21 scheitert, kommt dann „Gar nichts?“
Oder: was uns alles erspart bleibt, wenn S 21 nicht kommt.
Das ist die große Drohung der Stuttgart-21-Befürworter- aber es ist eine völlig leere Drohung. Selbst
wenn das Alternativ-Projekt K 21 nicht käme, wäre es doch unendlich viel besser, wenn der vorhandene
Kopfbahnhof erhalten bliebe. Denn nur mit dem jetzigen Kopfbahnhof
* ist ein integraler Taktfahrplan möglich (bei großen Zugzahlsteigerungen hätten auf dem Areal sogar
mühelos bis zu 29 Gleise Platz, der Tiefbahnhof wäre jedoch nicht erweiterbar)
*gibt es generell kurze Umsteigezeiten
*bleiben der mittlere Schloßgarten und die Baudenkmale erhalten
*fließt kein Geld für sinnloses Aufreißen der Stuttgarter U-Bahntunnels (dreistellige Millionenbeträge)
*braucht man kein irrwitzig teures Grundwassermanagement, das jahrelang viel Energie vergeudet, das
Grundwasser und die Parkbäume gefährdet und die Stadt mit 17 km oberirdischen Röhren verschandelt
*müssen keine Schulen verlegt werden
*muß kein Busbahnhof verlegt werden
*wird kein Mineralwasser gefährdet
*werden keine unkalkulierbaren Kostenrisiken eingegangen
*bleibt die urbane, wunderschöne Einfahrt in den Kopfbahnhof erhalten
*bleibt der Bahnhof barrierefrei
*behält die Gäubahn ihre sinnvolle Funktion
*kommt es zu keinen Fahrzeitverlängerungen (Gäubahn, Raum Cannstatt usw.)
und vieles andere mehr.
 
Ein Scheitern des Projektes wäre sogar ohne das Zustandekommen des
Alternativprojektes K 21 ein riesiger Gewinn.
Aus der Sicht des Verfassers wäre es für die politische Kultur unseres Landes ein Triumph, wenn sich die
Vernunft des mündigen Bürgers über Partikularinteressen beteiligter Unternehmen und die geballte
Unvernunft der bisher herrschenden Politik durchsetzen würde. Das Scheitern von Wyhl, Kalkar,
Wackersdorf und des Transrapid haben unserem Land im nachhinein betrachtet nur gut getan!
Kaum jemand ist traurig darüber, daß diese Großprojekte nicht durchgesetzt werden konnten, im
Gegenteil, mehr als 90% der Bevölkerung sind wahrscheinlich froh, daß sie nie zustande kamen! Bei
Stuttgart 21 wäre es nicht anders. Nicht ohne Grund haben die Stuttgart 21 befürwortenden Parteien
CDU, FDP und SPD bei der Landtagswahl am 27.3.2011 teilweise herbe Verluste einstecken müssen.
Soll deshalb K 21 auch nicht gebaut werden?
Damit kein falscher Eindruck aufkommt- ich bin sehr wohl für Großprojekte- nur sinnvoll müssen sie
schon sein. Und sinnvoll ist zum Beispiel K 21. Deshalb ist mir der letzte, folgende Absatz auch so
wichtig!
 
Ein wirklich ernstgemeinter, guter Rat an die SPD, die
Wirtschaft und insbesondere an die IHK!
Hunderttausende haben sich ehrenamtlich, unter Einsatz von viel Zeit und Geld und sehr oft unter
Inkaufnahme von persönlichen Nachteilen gegen Stuttgart 21 engagiert. Der Verfasser dieses Papieres rät,
diesen Impetus aufzunehmen und das Alternativ-Projekt K 21 zu verwirklichen. Das Engagement
zahlloser Bürgerinnen und Bürger würde so auf ein positives, gemeinsames Ziel gelenkt und
für unser Land aufgegriffen.
 
-25-
Die mit Stuttgart 21 verfolgten Ziele wären mit K 21 viel besser zu erreichen, ja überhaupt erst zu erzielen.
Ja es ist richtig- Herr Herrenknecht könnte keine 66km Tunnelröhren in Stuttgart bohren- aber eben
immerhin 24km. Lassen es IHK, SPD und die Wirtschaft aber darauf ankommen, Stuttgart 21 oder „gar
Nichts“als Alternative zu definieren, dann spielen sie genauso va banque, wie es die CDU/FDP
Landesregierung getan hat, und die verlor bekanntlich die Landtagswahl, indem sie bei Stuttgart 21 und
der Laufzeitverlängerung der AKWs den Willen der Bevölkerungsmehrheit sträflich mißachtete.
Für die meisten Stuttgart-21-Gegner hingegen wäre bereits das „Gar nichts“ ein grandioser Erfolg, auch
ohne K 21. K 21 ist, auf diesem Hintergrund betrachtet, ein großartiges Angebot an die hiesige
Wirtschaft. Begeht die Wirtschaft den Fehler, nicht auf K 21 umzuschwenken, wird sie am
Ende womöglich mit leeren Händen dastehen. Auch hier gilt das Wort von Michajl Gorbatschow:
„Wer zu spät kommt“, den bestraft das Leben. Noch ist es Zeit, für die SPD, die Wirtschaft und die IHK,
umzukehren. Hunderttausende würden sie mit ihrer Hingabe unterstützen! Ein Durchdrücken von
Stuttgart 21 gegen alle Vernunft wird diese Menschen für den Rest ihres Lebens gegenüber der bei uns
üblichen Politik völlig entfremden, ein Scheitern von Stuttgart 21 ohne gleichzeitige Unterstützung der
Alternative K 21 würde in erster Linie der SPD und den hiesigen Unternehmen schaden.
Jürgen Schwab, im Oktober 2011
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Nachwort zur Volksabstimmung am 27.11.2011
(zum Ausstieg aus der Landesfinanzierung zu Stuttgart 21)
Am 27.11.2011 besteht die einmalige Chance, unsere Meinung zu einem absurden Großprojekt kund zu
tun. Der 27.3.2011 erlaubte uns als ersten Schritt lediglich die Abwahl einer arroganten und
korrumpierten Landesregierung. Es sei in diesem Zusammenhang nur an den verfassungswidrigen,
sogenannten ENBW-Deal erinnert. Deshalb möchte der Verfasser einen großen Bogen spannen zu
anderen Themen, die uns alle bedrücken. Themen, die gleichsam „Mega-Großprojekte“ darstellen, bei
denen, ähnlich wie bei Stuttgart 21, Chancen völlig überzeichnet wurden und Risiken ausgeblendet,
verschwiegen oder gar verdrängt wurden.
Atomkraft
Über die Atomkraft konnten wir nie direkt abstimmen. Angeblich war sie alternativlos, so wie S 21. Das
Licht würde ausgehen, der Industriestandort sei in Gefahr. Seit Fukushima ist die Atomkraft in
Deutschland am Ende. Weniger durch die Einsicht der Politiker, eher durch die Bilder von verseuchten
Gebieten, verstrahlten Menschen und durch die Angst vor künftigen Wahlniederlagen. Wer bezahlt den
18 Milliarden Euro teuren Rückbau der Atomkraftwerke und die Endlagerung? Letztlich wir Bürger über
unsere Steuern und Strompreise. Dabei wollten die meisten von uns nie die Atomenergie!
Euro
Großkonzerne und Politiker priesen die Chancen des Euro in den schönsten Farben, wie bei Stuttgart 21.
Warnungen unabhängiger Wissenschaftler wurden ignoriert, kritische Stimmen nicht selten mundtot
gemacht (zum Beispiel durch Finanzminister a.D. Hans Eichel, SPD). Heute stehen Griechenland und
andere Staaten vor dem finanziellen Kollaps, dem Abgrund nähergebracht auch durch eine fahrlässig
leicht gemachte Verschuldung durch die niedrigeren Zinsen des Euroraumes. Der Euro verhindert zudem
nach Ansicht vieler Experten zuverlässig, daß solche Staaten jemals wieder auf die Beine kommen können.
Austeritätsprogramme zwingen ganze Nationen zum Kaputtsparen.
Der deutsche Export, der gleichzeitig durch diese Schieflage befeuert wurde, schlug sich jedoch kaum in
höheren Einkommen hierzulande nieder, er erhöhte aber zu allem Übel noch die Verschuldung der
Importländer. Andere erfolgreiche Exportnationen, wie etwa Schweden oder die Schweiz, erlaubten einen
Anstieg der Realeinkommen zuhause und definieren ihren Erfolg nicht nur über den Export.
-26-
Auch unser eigenes Staatsbudget wird durch den Euro und die erforderlichen Rettungsschirme und
Transferleistungen extrem belastet, unsere Renten und Ersparnisse geraten objektiv in Gefahr. Auch hier
bezahlen wir. Die Banken, die satte Risikoaufschläge für ihre Griechenlanddarlehen nehmen, halten sich
noch vornehm zurück. Dabei wollte eine Mehrheit nie den Euro.
Banken und Automobilindustrie
Weil angeblich systemrelevant, wurden 2008 Banken und Autokonzerne mit ungezählten Milliarden
unterstützt. Heute werden wieder Milliardengewinne eingestrichen, als sei nie etwas gewesen.
Bankenrettung und Abwrackprämien kosteten uns (und die Amerikaner, Briten, Franzosen etc.) Milliarden
an Steuergeldern. Wurden wir gefragt? Wurde uns dafür in irgendeiner Form gedankt? Erlaubten wir
jemals vor allem den öffentlichen Landesbanken, mit unseren Einlagen an riskanten Anlagestrategien
teilzunehmen?
In Schweden bezahlte der Staat nichts, weder an Banken, noch an die Automobilindustrie, obgleich dort
prozentual eher mehr Arbeitsplätze vom Automobil abhängen, obwohl es dort einen starken Bankensektor
gibt. Komisch: nichts Negatives geschah im Norden, keine Katastrophe traf das skandinavische Land.
Schweden erholte sich als erstes Industrieland mit einem Rekordwachstum nach der Krise 2008, auch weil
seine Währung auf dem Höhepunkt der Krise nachgeben konnte und so Wettbewerbsvorteile
ermöglichte.
Schweden steht heute am besten da in Europa, weil seine Bevölkerung in einer Volksabstimmung den
Euro ablehnen konnte und weil seine Regierung konsequent Schulden abbaut. Selbst die Steuern konnten
mehrmals in Folge gesenkt werden, ohne den Sozialstaat zu gefährden und gleichzeitig blieb das
Preisniveau eines der moderatesten in den hochentwickelten Industrieländern. Obwohl Schweden keinen
Euro hat, stieg seine Währung, wie auch die Norwegens, nur ganz wenig im Verhältnis zum Euro (bei dem
klassischen Fluchtwährungsland Schweiz liegt der Fall anders).
Afghanistan
Der Krieg in Afghanistan verschlang bisher inclusive Zinsen 35 Milliarden an deutschen Steuergeldern.
Der frühere SPD-Verteidigungsminister Struck legte Wert auf die Feststellung, daß die Freiheit
Deutschlands am Hindukusch verteidigt würde. Nach zehn Jahren Krieg (Die CDU weigerte sich lange,
den zutreffenden Ausdruck Krieg überhaupt zu gebrauchen), ist nicht leicht zu erkennen, was hier
überhaupt noch bezweckt werden soll. Direkt befragt wurde die deutsche Bevölkerung zum Afghanistan-
Engagement nie. Niemand wollte von uns wissen, ob wir überhaupt das Leben unserer Töchter und
Söhne und die vielen Milliarden Euro für dieses Abenteuer einsetzen wollen.
EU-Beitritt der Türkei
Breiteste Teile unserer Bevölkerung bis weit hinein ins grüne und linke Lager hinein lehnen einen Beitritt
der Türkei zur EU zumindest vorerst ab. Es wird nicht ohne Grund befürchtet, daß ein Land mit dem
Gewicht der Türkei, in dem
-der Völkermord an den Armeniern nach wie vor geleugnet und nicht aufgearbeitet wird
-Christen, Juden und andere Minderheiten Bürger zweiter Klasse sind
-Menschenrechte nicht konsequent beachtet werden
-kritische Journalisten u.U. den Tod riskieren
-andere EU-Mitglieder (Zypern) nicht respektiert werden
-Minderheiten, wie z.B. die Kurden unterdrückt werden
die EU vollends ins Chaos stürzen würde.
Warum werden wir zu künftigen EU-Erweiterungen (Türkei, Ukraine etc.) nicht wenigstens befragt?
Stuttgart 21
Nach dieser Aufzählung ausgewählter „Großprojekte“ (Atomkraft, Euro, Bankenrettung, Afghanistan,
EU-Beitritte) wirkt Stuttgart 21 zugegeben wie ein nachrangiges Problem. Trotzdem hat es ungeheuer
viele Menschen mobilisiert. Stuttgart 21 zeigt nämlich wie in einem Kaleidoskop die Grundprobleme
heutiger Politik:
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1. Bei existenziell wichtigen Fragen werden die BürgerInnen in unserer repräsentativen
Demokratie nicht beteiligt, ihr demokratischer Wille wird mißachtet und teilweise lächerlich gemacht.
2. Wählen Bürgerinnen und Bürger eine Partei, wählen sie in dieser repräsentativen
Demokratie automatisch Dinge mit, die sie und die Mehrheit der Bevölkerung auf gar keinen
Fall wollen. Wer zum Beispiel skeptisch gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei ist, und deshalb CDU
wählen würde, nimmt dafür zum Beispiel Stuttgart 21 und anderes in Kauf. Wer Stuttgart 21 verhindern
will, wählt gerne die Grünen, muß dann aber einen EU-Beitritt der Türkei akzeptieren und einen
Koalitionspartner, der doch Stuttgart 21 bauen möchte, und so weiter.
Hierin liegt auch der Hauptgrund für die immer weiter fortschreitende Parteienzersplitterung. Die
Mißachtung der Umwelt führte berechtigter Weise zur Gründung der Grünen. Das Ignorieren
wesentlicher sozialer Ungerechtigkeiten ließ die Linke anwachsen. Das Ausschnüffeln der Bürger
begünstigte das Aufkommen der Piratenpartei. Es ist zu erwarten, daß eine grassierende Eurokrise
einer Anti-Europartei den Boden bereitet.
3. Geht Stuttgart 21 schief, haben wir Bürger das Problem. Es kostet jeden von uns Tausende von
Euro an Steuergeld, egal, ob wir Bahn fahren oder nicht. Das Neubauviertel hinter dem Bahnhof verdrängt
andere Firmen, und gegen unseren Willen wird eine neue Immobilienblase gefüttert. Die oben
ausführlichst erwähnten bahntechnischen Probleme zu unserem Nachteil kommen hinzu.
4.Könnten wir uns demokratisch äußern zu einem existenziell wichtigen Problem (wie in der Schweiz),
fiele es uns viel leichter, auch die negativen Folgen einer Mehrheitsentscheidung zu tragen. Waren wir
hingegen schon immer gegen ein Projekt und konnten nicht abstimmen, verbittert es uns um so mehr,
wenn wir für eine Sache auch noch geradestehen sollen, die wir mehrheitlich gar nicht wollten.
Nachteilhafte Abwägung des Für und Wider zuungunsten der Bevölkerung
Um nicht falsch verstanden zu werden: es gab und gibt für die Atomenergie, für den Euro, die
Bankenrettung, die Abwrackprämie, für den Afghanistaneinsatz oder den EU-Beitritt der Türkei oder
selbst für Stuttgart 21 (da allerdings am allerwenigsten) auch viele gute Argumente, aber eben auch sehr
ernste und triftige Gegenargumente, die zudem häufig schwerer wiegen.
Bei der Abwägung des Für und Wider neigen unsere Eliten merkwürdiger Weise dazu, im Gegensatz zur
Mehrheitsmeinung der Bevölkerung, die riskantere Strategie zu wählen. Lobbygruppen bearbeiten die
Politiker in diese Richtung, in Einzelfällen haben sie selbst Vorteile an gewissen Projekten (bei Stuttgart
21 befinden sich auffallend viele CDU-, FDP- und SPD-Politiker in entsprechenden Aufsichtsräten).
Scheitern diese Großprojekte, oder haben sie zumindest katastrophale Folgen, können wir BürgerInnen
nichts tun, außer zähneknirschend die Folgen zu tragen.
Auswege sind oft verbaut, wenn eine ungünstige Entscheidung getroffen wurde
Ist man erst einmal in Themen wie Euro, Afghanistan etc. verwickelt, gibt es keine einfachen Auswege
mehr. Jede Entscheidung zur Lösung der Krise kann desaströse Folgen zeitigen. Oft bleibt nur die
sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera. Aber: bei Stuttgart 21, unserem Musterbeispiel, für
alles was bei uns politisch schief läuft, haben wir unter unsäglichen Mühen die Chance erkämpft
für eine -wenn auch unfaire (aufgrund des Quorums)- Volksabstimmung! Lassen wir diese Chance
nicht ungenutzt verstreichen!
Noch können wir Stuttgart 21, beispielhaft auch für anderen Unsinn- stoppen!!!
Die SPD hat diese Abstimmung auf den Weg gebracht, ich bringe es trotzdem nicht fertig, ihr dafür
dankbar zu sein. Denn die SPD kalkulierte -ich behaupte bewußt- ein, daß das in Baden-Württemberg
erforderliche Quorum uns Gegnern keine realistische Chance läßt. Trotzdem: Gewinnen wir die relative
Mehrheit auch ohne das Quorum, wird der moralische Druck (neben dem finanziellen Fiasko) Stuttgart
21 doch noch zu Fall brngen können! Unsere Bürgerbewegung wurde schon so oft totgesagt!
-27-
Weltweites Erwachen der Menschen
Überall auf der Welt, in Diktaturen und Demokratien, wehren sich mittlerweile die Menschen, weil sie
erkannt haben, daß ihre Eliten vielfach arrogant, fehlbar und eigennützig geworden sind (oder schon
immer waren). Megatrends laufen fundamental in die falsche Richtung. Die Umwelt wird mehr und
mehr ausgeplündert, Finanzmärkte erdrosseln die Realwirtschaft über riskante Wetten, die Kluft zwischen
arm und reich wächst beängstigend, die Verschuldung der meisten Staaten, die für sinnlose
Prestigeprojekte, überzogene Rüstung und dergleichen mehr in die Höhe getrieben wird, all dies macht
große Angst und schreit nach Bürgerbeteiligung. In unserer Demokratie ist damit kein besonderes Risiko
verbunden, werden wir aktiv! Nicht unbescheiden können wir sagen, in Stuttgart fing- sicherlich
ungeplant- irgendwie das aktuelle Erwachen der Menschen an. Unsere Zelte im Schloßgarten finden ihre
Entsprechung bei den Zelten in New York, Tel Aviv, Frankfurt und anderswo! Woche für Woche
demonstrieren Tausende in Stuttgart, und das bei inzwischen fast Hundert Montagsdemonstrationen und
vielen Großdemonstrationen, die schon Zehntausende-, ja über Hunderttausend Menschen auf die Beine
gebracht haben!
Wo so viele Menschen sich engagieren, wenn zugleich andernorts (in Wien, Zürich, Malmö, Antwerpen
usw.) Bahnhofsprojekte von den Menschen begrüßt und akzeptiert werden, aber nicht in Stuttgart- da
muß die offizielle Politik einfach falsch liegen! CDU, FDP und SPD haben sich verrannt!
Redet mit allen darüber. Macht den 27.11. 2011 zum Menetekel für eine Elite, die über unsere Zukunft
entscheidet- aber nicht für die Folgen ihrer Entscheidungen geradesteht (z.B. Stefan Mappus und sein
ENBW-Deal) und die uns gleichzeitig die Lasten ihrer Politik aufbürdet!
Gezielte Unterdrückung und unverhältnismäßige staatliche Gewalt konnte uns
nicht von unserem Weg abbringen
Am 30.9.2010 hat man versucht, uns mit Wasserwerfern wegzuspritzen. Dietrich Wagner wurde fast
völlig blind geschossen. Kinder wurden verprügelt von einer aus ganz Deutschland herangekarrten
Polizei, die tausendfach in waffenstarrender Montur friedfertigen Bürgern, die mehrheitlich bisher
CDU/FDP/SPD gewählt haben, das Fürchten gelehrt hat. Die Polizisten, die selbst Bürger sind, sicherlich
S 21 ebenfalls vielfach skeptisch bis ablehnend sehen und nicht einmal Anti-S 21 Buttons tragen dürfen,
wurden von feigen Politikern instrumentalisiert und hinterher im Regen stehen gelassen. Der
Polizeipräsident durfte das Bauernopfer spielen. Ausgerechnet zum Tag der Deutschen Einheit- welch ein
Hohn!- entstand im Schloßgarten ein neuer Trennzaun, der martialisch bewacht wurde. Am 27.3. haben
wir die Verantwortlichen dafür abgewählt. Sie scheinen wenig beeindruckt zu sein, denn sie halten unbeirrt
an Stuttgart 21 fest. Am 27.11.2011 werden wir daher hoffentlich die Ursache für die Misere, nämlich
Stuttgart 21 abwählen!
Wir sind nicht die Infrastrukturverhinderer!
Lassen wir uns nicht einreden, wir wären „Infrastrukturverhinderer“, ein Etikett, das vor allem die SPD
den Grünen gerne ankleben will, wohl um die (genehmere?) Option große Koalition gedanklich schon
einmal vorzubereiten.
Mit der Verteidigung des Bahnhofs in Stuttgart retten wir gerade eine wichtige Infrastruktur, die wir für
die Zukunft erhalten und ausbauen wollen. CDU, FDP, große Teile der SPD und die IHK sind mit ihrem
Engagement für die U-Haltestelle Stuttgart 21 die wahren Infrastruktur-Zerstörer. Wählen wir den
Ausstieg aus der verlogenen Dagegen-Propaganda (CDU) bzw. Infrastruktur-Propaganda (SPD)!
Eine Mehrheit bei der Volksabstimmung für die Stuttgart-21 Gegner wird unsere
Demokratie entscheidend voranbringen!
Der Lohn wird sein, daß die Politik künftig bei existenziellen Fragen eher auf uns hört! Zumindest
müßten uns Politiker in Zukunft detailliert erklären, was sie mit ihren Projekten bezwecken. Sie könnten
sich nicht mehr bequem auf Steuergeld-finanzierte, verlogene Werbekampagnen a la „Es stimmt…aber es
stimmt auch“zurückziehen. Für dieses Erklären müßten sich die Politiker selbst genau mit den
Argumenten der Kritiker auseinandersetzen. Es käme nicht mehr zu so peinlichen Szenen, wie nach der
Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm im Bundestag, wo einzelne Parlamentarier Journalisten
gegenüber gar nicht genau erklären konnten, wofür sie da gerade ihre Stimme abgegeben haben!
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Unser Bewußtsseinsstand und natürlich auch der der PolitikerInnen wäre höher, eben wie in der Schweiz
oder in Skandinavien. Im Zeitalter des Internets läßt sich die Bevölkerung nicht mehr für dumm
verkaufen. Selbst teilweise beeinflußte Medien, wie Funk, Fernsehen oder die großen Stuttgarter
Zeitungen, müssen inzwischen eine Gegenöffentlichkeit akzeptieren. (Flügel TV, Die Zeitung
„Einundzwanzig“, das Internet usw. Unbequeme Wahrheiten bahnen sich ihren Weg und finden ihren
Weg zu den Menschen. Und das ist gut so. Auch dieses Papier wollte dazu einen bescheidenen Beitrag
leisten.
Jürgen Schwab, im Oktober 2011
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1 Kommentar

  1. Tja es geht weiter. Das Eisenbahn-Bundesamt hat den Baustopp für den umstrittenen Tiefbahnhof Stuttgart 21 trotz einer gegenteiligen Gerichtsentscheidung für hinfällig erklärt. Damit darf weitergebaut werden. Irgendwann werden alle Beteiligten erkennen, dass dieser Streit zu nichts führt. Vielleicht ist eine Einigung angebracht. Ich bin mal gespannt, wie sich jetzt unser grüner Ministerpräsident verhält.

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