WOW (World of Warcraft) in schwäbischer Langsamkeit

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Viel wurde zum 30.09.2010 gesagt, propagiert, geschrieben und verschwiegen.

Viel von dem, was an diesem Tag geschah, verschloss ich in meinem Herzen.

Dann ging ich zum Wasserwerferprozess. Ich wollte, stellvertretend für all die Polizisten, die an diesem Tag feige Befehle ausgeführt hatten, den beiden Angeklagten in die Augen sehen.

Sie hatten nicht den Mut auch nur einmal in die Richtung der Zuhörer zu blicken.

Ein Video wird abgespielt „A Muggefuggele nach rechts…ja so…uffbassa uf die Kollege…uffbassa uf die Laterne…“

Zunächst verberge ich meine Tränen, dann denke ich „ihr dürft sie ruhig sehen“

Ein Gedanke: Das ist WOW in schwäbischer Langsamkeit!

Doch im Park vor den Wasserwerfern – das waren keine Störer, keine virtuellen Figuren in einem Computerspiel, sondern Menschen!

Ich war kurz nach Eintreffen der Schülerdemo im Park.

Ich kletterte auf den Zaun am ZOB und sah einen Wasserwerfer, niemand wollte mir so recht glauben.

Kinder wurden am Zaun vom BFE umstellt. Ich rief ihnen zu, ob jemand bei ihnen wäre, der nach ihnen schaut – sie waren allein. Ich versuchte ihnen zu sagen, dass sie ruhig bleiben sollen…ein Polizist schreit, ich würde Kinder zu Straftaten anstiften, sein Kollege holt mit dem Schlagstock aus, ein dritter hält ihn davon ab zuzuschlagen.

Am Biergarten – mitten im Chaos aus Wasser, Pfefferspray und Reizgas stürzt ein Mädchen auf mich zu, das ich irgendwann im Park kennengelernt habe. Sie ist an diesem Tag 15 Jahre alt. Sie fällt mir um den Hals, sagt unter Tränen: „Anja, nimm mich einmal in den Arm, dann ist ein Moment lang alles gut“

Vor mir Kinder unter einer Plane. Ich sehe, dass Polizisten Pfefferspray unter die Plane sprühen, versuche sie mit anderen wegzureißen- zu langsam.

Ich rufe Jugendlichen zu „macht eure Piercings raus, zieht eure Mützen hoch, dreht euch weg…“

In all diesem Chaos achte ich nicht mehr auf mich selbst – Treffer vom Wasserwerfer an Ohr und Hals.

Ein Mann steht neben mir, weint, sieht mich an und fragt: „Was soll ich meinen Kindern sagen? Ich habe ihnen Respekt vor der Polizei beigebracht, aber nach heute-was soll ich ihnen denn sagen?“

Draußen vor den Wasserwerfern war nichts einfach nur ein Computerspiel.

Da ging es um das Leben der Bäume, die Unversehrtheit der Menschen, die Achtung und Wahrung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.

Das alles habt ihr an diesem Tag zerstört!

Zu Hause – aber erst dort ging ich in die Knie, übergab mich, leer und fassungslos!

Blutergüsse verblassen, das offene Ohr und der Hals sind geheilt, irgendwann in dieser Nacht war auch das letzte bisschen Galle ausgespuckt, aber die Bilder bleiben-das Herz vergisst niemals-nicht die Grausamkeit, aber auch nicht die Umarmung eines mutigen 15 jährigen Mädchens!

 

Wenn die Macht ihr Gesicht zeigt-kalt und grausam,

zeigen Menschen ihr Herz und ihren Mut!

 

by @njaturtle

4 Kommentare

  1. Es war halt CDU-Wahlkampf.
    Habe übrigens das Gutachten vom WAWE9 aus Niedersachsen gelesen. Bei 400N querlinie gezogen (inakzeptable Schäden am Bauch können auftreten, wobei inakzeptabel in anderen Abschnitten Halswirbelbruch bzw Leberriss war) lande bei 16bar bei 7m Mindestabstand. wer aus kürzester Distanz vom WAWE getroffen wurde sollte sich dringend mit AK Jura in Verbindung setzen oder direkt mit Reicherter.

  2. Lange liefen mir keine Tränen mehr wegen dem 30.09. Du hast es mit Deinem kurzen Text geschafft! Und ja: Das alles haben sie an diesem Tag zerstört! Diesen einen Satz möchte ich den Verantwortlichen so gerne um die Ohren knallen! DAS ALLES HABT IHR AN DIESEM EINZIGEN TAG UNWIEDERBRINGLICH ZERSTÖRT!!!

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