Zwuckelmanns Meinung: Sollbruchstelle? Rentabilität? Nein, Bundestagswahlkampf!

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Ein Kommentar von 

Oft wurde ich in den letzten Tagen angesprochen, dass ich mich doch jetzt freuen müsste, weil Stuttgart21 erledigt sei. Ich habe immer entgegnet, dass S21 noch lange nicht erledigt ist, dass hier Kräfte walten, die sich so schnell nicht unterkriegen lassen. Und siehe da, jetzt scheint es soweit zu sein.

Jetzt tritt offensichtlich doch ein, was viele schon lange ahnten: der Bund als Eigentümer erlaubt der Bahn, Stuttgart21 auch dann zu bauen, wenn das Projekt sich für die Bahn selbst nicht rentiert. Damit und mit der Haftungsübertragung vom Vorstand zum Bund würde der Bund und damit der Steuerzahler für alle weiteren Kosten haften und der Vorstand der Bahn erhielte einen Freifahrtschein. Diese rein politische Entscheidung ist einzig und allein auf Angela Merkel zurückzuführen, die das Thema aus dem Wahlkampf zur Bundestagswahl heraus halten will. Ich glaube aber, dass ihr das nicht gelingen wird. Noch hat der Aufsichtsrat nicht entschieden. Vielleicht ist es auch nur lautes Säbelrasseln. Aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass das Stuttgart21 trotz aller berechtigter Kritik weiter am Leben erhalten wird.

Gleichzeitig kommt erneut und mit neuen Beweisen ans Tageslicht, dass die Verträge für Stuttgart21 auf gefälschten Fakten basieren und dass bewusst von der Bahn und anderen Verantwortlichen Fakten zu Kosten zurückgehalten wurden, um die Finanzierungszusagen der anderen Projektpartner nicht zu gefährden (“Monitor” vom 21.2.2013). Die Bevölkerung und auch der ein oder andere Projektpartner wurden also systematisch und vorsätzlich getäuscht! Die Verträge sind damit im Grunde genommen ungültig und könnten, wenn man denn wollte, vor Gericht angezweifelt werden. Leider will nur niemand. Damit wird das skandalöse Verhalten der Bahn gutgeheißen und implizit im Nachhinein legitimiert.

Allen Beteiligten ist klar, dass auch die 6,8 Mrd. Euro nicht das Ende der Fahnenstange sein werden. Stuttgart21 wäre das erste Projekt, bei dem während der Bauphase keine neuen Kostensteigerungen auftreten würden. Und der Bau hat noch gar nicht ernsthaft begonnen, selbst wenn alle so tun, als wäre das so. Bisher gibt es nur eine Baustelle für das Technikgebäude am ehemaligen Nordflügel des Bahnhofs. Überall sonst wurde und wird bisher nur zerstört, nichts gebaut oder auch nur ansatzweise begonnen. Im denkmalgeschützten Rosensteinpark werden in den kommenden Tagen bis Ende Februar zahlreiche Bäume gefällt und Unterholz gerodet, als würde es keine Rolle spielen, ob das Projekt finanziert ist oder nicht. Und selbst wenn jetzt die Finanzierung in irgendeiner Weise geschultert werden kann, bleibt weiterhin unklar, wie mit weiteren möglichen und wahrscheinlichen Kostensteigerungen umgegangen wird. Hierfür gibt es außer der ominösen Sprechklausel keine Regelung.

Wenn nicht jetzt die Notbremse gezogen wird, wird der Bau tatsächlich beginnen und schon jetzt ist absehbar, dass genau das passiert, was man als Super-GAU für Stuttgart ansehen kann: es wird eine Bauruine in der Stadt stehen und man wird sich, weil es keine klare Regelung gibt und der Bund irgendwann einfach nicht mehr zahlen wird, darüber streiten, wer die weiteren Mehrkosten trägt. Vielleicht nicht in einem Jahr, aber spätestens in fünf Jahren wird es soweit sein. Natürlich findet sich irgendwann irgendjemand, der zahlt, denn eine Bauruine mitten in deutschlands sechstgrößter Stadt wird zumindest für die Stadt selbst nicht hinnehmbar sein. Land und Stadt sind in dieser Situation erpressbar. Und natürlich wird an allen Ecken und Enden gespart werden und von dem Hochglanzbahnhof wird das übrig bleiben, was das Fraunhofer Institut bereits vor Jahren visualisiert hat: ein dunkler, zugiger Betontunnelhaltepunkt, der alles andere als einladend ist.

Solange die Bahn nicht glaubhaft, detailliert und lückenlos darstellen kann, dass die jetzt benannten Kosten korrekt berechnet wurden und solange selbst der Bundesrechnungshof die aktuelle Kalkulation der Bahn in Zweifel zieht, solange ist es grob fahrlässig für alle Beteiligten, das Projekt weiter voran zu treiben. Herr Kretschmann kann sich nicht weiter hinter der Volksabstimmung verstecken, Herr Kuhn nicht allein hinter zahnlosen Forderungen. Es müssen endlich Konsequenzen gezogen werden! Ansonsten steuern wir sehenden Auges in ein ähnliches Desaster wie beim BER.

Und schließlich sei angemerkt, dass Stuttgart21 nicht nur an der nicht vorhandenen Finanzierung krankt. Es gibt genügend Aspekte, vor allem technischer und ökologischer Natur, die das Projekt ebenso unvernünftig, irrsinnig, gar lebensgefährlich erscheinen lassen, Finanzierung hin oder her. Aber dies geht leider in der aktuellen Diskussion komplett unter.

Wir sollten morgen laut und ausgiebig demonstrieren, dass wir dieses Gebaren, diese Mauschelei, dieses Affentheater rund um Stuttgart21 nicht mitmachen werden. Die Bürger werden offensichtlich und für alle sichtbar verarscht! Angela Merkel mag S21 aus dem Wahlkampf heraus halten wollen. Sorgen wir dafür, dass ihr dies nicht gelingt und die Bundestagswahl fest verbunden sein wird mit dem skandalösen Immobilienprojekt Stuttgart21!

Oben bleiben!