Stuttgart, 21.11.2012,
Presseerklärung der Initiative Barriere-Frei vom 21. November 2012
Als Initiative Barriere-Frei und betroffene Bürger kritisieren wir die Kooperationsvereinbarung des Dachverbands Integratives Planen und Bauen (DIPB) mit der Bahn AG aufs schärfste, die heute im Stuttgarter Turmforum unterschrieben wurde. Der Umgang der Bahn AG mit dem Leben behinderter Menschen ist an Zynismus kaum zu überbieten. Jede Zusammenarbeit mit den Planern der Todesfalle Stuttgart 21 ist ein Schlag ins Gesicht für weniger mobile Mitmenschen.
Schon vor zwei Jahren hat Bahn-Technikvorstand Volker Kefer die technischen Rahmenbedingungen jeglicher Planung klar benannt: Für barrierefreie Fluchtwege ist im Tunnelbahnhof Stuttgart 21 kein Platz und daran ist auch nichts zu ändern. Die Rettung Behinderter überlässt die Bahn dem Schicksal: „Wir gehen davon aus, dass Mitreisende, sowie Mitarbeiter der DB und ggf. anwesende Sicherheitskräfte die Evakuierung von Menschen mit Gehbehinderungen im Rahmen der Hilfeleistungspflicht schon in der Selbstrettungsphase unterstützen.
Entsprechende Aufforderungen zur Unterstützung sind auch Bestandteil der Lautsprecherdurchsagen im Störungsfall“, so Volker Kefer auf der Internetseite „direktzu Stuttgart 21“
Dass im Brandfall nur diejenigen überleben, die aus eigener Kraft schnell genug die Treppe hoch kommen, nimmt die Bahn billigend in Kauf.
http://direktzu.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/stuttgart21/messages/barrierefreie-fluchtwege-29870
„Für die S21-Steuermilliarden sollten lieber alle Bahnhöfe barrierefrei nachgerüstet werden“, fordert Conny Single von der Initiative Barriere-Frei. „Davon profitieren alle Bahnkunden und Steuerzahler – v.a. aber Alte und Behinderte, die aufgrund der Alterspyramide einen immer größeren Teil unserer Bevölkerung ausmachen.“
Wie fahrlässig, ja geradezu kriminell die Bahn mit dem Thema Sicherheit umgeht, zeigt auch das kürzlich bekanntgewordene Gutachten der Gruner AG, das eigentlich „unter Auslassung der bisher erzielten Simulationsergebnisse bei gleichzeitigem Verweis auf laufende Nachbesserungen“ hätte veröffentlicht werden sollen. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass im Brandfall eine tödliche Verrauchung des Tunnelbahnhofs eintreten würde, lange bevor die Evakuierung Behinderter auch nur beginnen könnte.
In einem sind sich Sicherheitsexperten, Bauingenieure und Bahn-Technikvorstand Volker Kefer einig: Im geplanten Tiefbahnhof und in den Tunnels ist für Sicherheit kein Platz; für barrierefreie Fluchtwege erst recht nicht. Selbst minimale Verbesserungen würden eine komplette Neuplanung und viele Milliarden Mehrkosten erfordern.
Kontakt: Cornelia Single, Initiative Barriere-Frei
Internet: http://barrierefrei.gegen-stuttgart-21.de/
Hintergrund:
Neubauprojekte, wie der Stuttgarter Bahnhof, sollten „eigentlich“ einen Vorzeigecharakter haben, doch leider wird es dazu nicht kommen. Sondergenehmigungen werden durch Sondergenehmigungen genehmigt. Bahneigene Richtlinien werden beim Komfort, der Sicherheit und erstrecht in Sachen Barrierefreiheit missachtet.
Bei den zweimal jährlich stattfindenden Vollversammlungen berichtet der Vorstand des DIPB über die löblichen Forderungen der Arbeitskreise und den niederschmetternden Antworten der Bahn-Vertreter. Weiter geschieht nichts. Der Initiative Barriere-Frei gegen Stuttgart 21 und den Parkschützern ist das nicht genug!
Laut Ministerium für Wirtschaft und Technologie ist Barrierefreiheit für 10% der Bevölkerung zwingend erforderlich, für 30-40% notwendig – für 100% der Reisenden bedeutet Barrierefreiheit Komfort und ein wichtiges Qualitätsmerkmal.
Barrierefreiheit kommt also allen zugute, denn wenn ein Mensch am Fortkommen gehindert ist, sind es diejenigen, die an ihm vorbei müssen, ebenfalls.
Die Gefahrenzone soll man nicht betreten, dann bleiben für den Durchgangsverkehr vom und zum Aufzug im Kernbereich des S21-Bahnhofs – und nach Herstellung der bei der Planung „vergessenen“ Brandschutzbauten – lediglich 1,04 m Verkehrsweg.
Ein Bahnkunde mit Rollkoffer oder Kindern links und rechts nimmt eine Breite von mindestens 1 m in Anspruch, ein Rollifahrer benötigt 1,10 m und ein Blinder mit Langstock sogar 1,20 m.
Die Information, dass diese Engpässe nicht genutzt werden, übernimmt der DIPB von der DB widerspruchslos. Allerdings begegnen sich gerade die, die „breiter“ unterwegs sind, z.B. mit Kofferkuli, Kinderwagen, mehreren Gepäckstücken, wie auch auf Rollatoren oder Rollstühle auf die Aufzugsbenutzung Angewiesene, in diesem Bereich.
Ohnehin muss man der Bahn und dem Bund auf die Finger schauen. Anton Hofreiter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, wies auf eine Übereinkunft zwischen Bahn und Bund hin, kleinere Bahnhöfe pauschal als stufenfrei zu bewerten, auch wenn die Bahnsteige ausschließlich über Treppen zu erreichen sind.
Die Deutsche Bahn ertrinkt in Problemen 28.06.2011
Schließlich entdeckten die Prüfer eine Übereinkunft zwischen Bahn und Bund, 3900 kleinere Bahnhöfe, immerhin 69 Prozent aller Stationen, pauschal als „stufenfrei“ zu bewerten, auch wenn die Bahnsteige ausschließlich über Treppen zu erreichen sind.
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter von den Grünen, sieht Probleme nicht nur bei der Bahn. Der Bund nehme seine Verantwortung nicht wahr: „Ich habe immer betont, dass die Gelder zur Finanzierung der Schienenwege von der DBA AG nicht effizient eingesetzt werden“, sagte er der WAZ-Mediengruppe. „Der Bund kommt hier seiner Aufsichtspflicht nicht ausreichend nach.“ Der Verkehrsminister müsse umdenken: An „klaren und strengen Kriterien“ für die Überweisung der Staatsgelder an die Bahn führe kein Weg vorbei. „Das muss durch eine laufende Prüfung sichergestellt werden.“
http://www.derwesten.de/wirtschaft/die-deutsche-bahn-ertrinkt-in-problemen-id4816413.html
Links
http://schaeferweltweit.wordpress.com/2012/11/21/wird-die-s21-barrierefreiheit-verkauft/
Das Projekt “EngpasS21 – der Tiefbahnsteig im Test”
Der EngpasS21 ist ein begehbarer 1:1 Nachbau eines geplanten S21-Tiefbahnsteiges mit Treppen- und Rolltreppenanlage aus Holz.
Facebook: www.facebook.com/pages/EngpasS21/178189748905497
muss man das noch kommentieren?
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