PFA 1.5 – Die (un) bekannten S21 Baumaßnahmen in Bad Cannstatt

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Vor etwas über 2 Jahren hatte der Bezirksbeirat Bad Cannstatt zusammen mit Vertretern des Bahnprojekts Stuttgar-Ulm e.V. zu einer Informationsveranstaltung über die anstehenden Bauarbeiten im Zusammenhang mit Stuttgart 21 in den Saal des Bezirkrathaus Bad Cannstatt eingeladen. Es wurden Baumaßnahmen und Zeitpläne vorgetragen und erklärt und im Anschluss konnten Fragen gestellt werden. 2 Jahre danach ist das Ergebnis für die Bahn ernüchternd bis vernichtend. An keiner der erwähnten Stellen ist ein Baufortschritt erkennbar. Sämtliche Termine sind überschritten oder nicht zu halten. Über neue Termine kann nur noch spekuliert werden und das obwohl die Bahn zwischenzeitlich mehrfach maximale Transparenz sowie eine verbesserte Kommunikation mit den Bürgern Stuttgarts zugesichert hatte.

Worum geht es?

Wenn im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen für das Projekt S21 der Stadtbezirk Bad Cannstatt erwähnt wird, dann sind damit meistens die großen Tunnelarbeiten gemeint, die ganz massiv den Rosensteinpark gefährden. Das Wissen innerhalb der Bürgerschaft über diese zerstörerischen Maßnahmen ist wenn überhaupt meist nur abstrakt vorhanden. Viele wissen schlicht überhaupt nicht, dass auch hier massive Eingriffe in den Park, der nebenbei den Status eines Landschaftsschutzgebiet nach EU-Norm (FFH-„Fauna-Flora-Habitat-Gebiet“) genießt, für das Megaprojekt erforderlich sind.

Die Planfeststellungsabschnitte 1.5 und 1.6a, welche die Stadtbezirke Feuerbach und Bad Cannstatt betreffen, beinhalten neben den Baumaßnahmen am Rosenstein aber noch weitere, nicht unwichtige (Anwohner-) Gebiete und öffentlichen Raum. Betroffen davon ist vor allem Bad Cannstatt bis hin zum benachbarten Bezirk Untertürkheim. Von diesen Baumaßnahmen ist bisher kaum etwas an die Öffentlichkeit gedrungen.

Um diese Baumaßnahmen, die ebenfalls mit viel Lärm, zusätzlichem LKW-Verkehr und vielen Einschränkungen für die Bürger einhergehen ins Bewusstsein zu rufen, werden diese Baumaßnahmen sowie ihr aktueller Status kurz vorgestellt. Ausgangspunkt hierfür bildet dabei die Sitzung des Bezirksbeirat im Bezirksrathaus Bad Cannstatt vom 17. November 2010.

Rückblick

Bad Cannstatt war einer der ersten Stadtbezirke, welcher in einer Reihe von Informationsveranstaltungen – durchgeführt durch das sog. S21 Kommunikationsbüro – in den Genuß kam, über die durch das Immobilienprojekt S21 zu erwartenden Baumaßnahmen & Belastungen aus erster Hand von den Experten der Bahn informiert zu werden. Eingeladen hatte hierzu am 17.11.2010 der Bezirksbeirat Bad Cannstatt. Die dort vertretenen Fraktionen hatten dazu im Vorfeld mehr oder weniger kritische Fragen an die Vertreter der Bahn formuliert und schriftlich eingereicht. Die Beantwortung dieser Fragen sollte im Rahmen dieser Veranstaltung zusammen mit Betroffenen und Interessierten Bürgern erörtert werden.

Obwohl die Vertreter der CDU-Fraktion, Freie Wähler und auch der FDP-Fraktion immer wieder versuchten auf die sog. Chancen und Vorteile des Immobilienprojektes S21 abzuheben, bildeten letztlich doch die zu erwartenden Baumaßnahmen mit ihren Risiken und Belastungen die Themenschwerpunkte dieses Abends. Ernstzunehmende kritische Fragen, die auch die Ängste und Sorgen der Bad Cannstatter Bürger berücksichtigten, kamen also mal wieder nur aus den Fraktionen der SPD, Grüne sowie SÖS.

Öffentlicher Raum wird zur Baustelle

Die Baumaßnahmen bestehen neben den eigentlichen Ausführungsarbeiten auch aus unzähligen Baustelleneinrichtungsflächen (kurz BE), also Flächen, welche benötigt werden um eigentlichen Bauarbeiten vorzubereiten und die Baulogistik (Geräte & Arbeitsmaterial) zu betreiben. All diese Flächen, die teilweise den öffentlichen Raum betreffen, werden den Bürgern für die Gesamtdauer der Baumaßnahmen zusätzlich weggenommen.

Zu diesen Flächen zählen u.a. Brücken oder auch ganze Unterführungen. Prominentes Beispiel hierfür wäre der ersatzlose Wegfall der beliebten und hochfrequentierten Holzbrücke zum Rosensteinpark (zusammen mit dem Elefantensteg) oder etwa die gesperrte und zugemauerte Fussgängerunterführung im Feuerbacher Bahnhof. Zusätzlicher öffentlicher Raum wird somit über Jahre zur Baustelle umgewandelt und der Nutzung durch die Stadtbevölkerung und auswärtigen Wilhelmabesuchern entzogen.

Wo befinden sich nun all diese Flächen, die ja laut Planungsstand des bestgeplanten Bahnprojekts aller Zeiten teilweise schon Baustelle sein müssten? Die Präsentation des Kommunikationsbüros kombiniert mit aktuellen Bildern wird uns hierüber Auskunft geben und der sogenannte Baufortschritt wird dadurch recht schnell für jedermann ersichtlich.

PFA 1.5 ist bereits rechtskräftig planfestgestellt, d.h. die Bahn „könnte“ mit den Baumaßnahmen dort theoretisch beginnen.


PFA 1.5 (Quelle: Präsentation Kommuniaktionsbüro)

Planfestgestellt und nichts gebaut

Interessanterweise wurde genau in diesem Planfeststellungsabschnitt – also Cannstatt betreffend – seit der medienwirksamen Prellbockanhebung, welche ja den Baustart symbolisieren sollte, weder Baumaßnahmen vorbereitet noch durchgeführt. Dies führt natürlich schnell zu der Frage nach dem „Warum“. Ausreden wie Schlichtung, Volksabstimmung und Proteste dürften hier wohl kaum zählen, denn Bahnchef Grube hatte sogar während der Volksabstimmung mehrfach betont, die Bahn wolle in jedem Fall bauen.

Selbst nach der Ankündigung die „Baustellen hochzufahren und die Bagger rollen zu lassen“ hat sich in diesem Abschnitt überhaupt nichts getan, und das obwohl die Bahn ihrem eigenen Zeitplan massiv hinterherhinkt und mittlerweile einen enormen Aufholbedarf haben müsste. Ein Blick auf den zuletzt kommunizierten Zeitplan macht dies deutlich.

Zeitplan

  • 2010-2012: Sperrung Brücke vom Rosenstein zum Leuze
  • Frühjar 2011: Abbruch Elefantensteg/ Abbruch Holzbrücke
  • ab 09/2012: Baustelleneinrichtungsfläche Elefantensteg
  • Herbst 2012: Neue Haltestelle Wilhelma

Hat die Bahn den Überblick über ihre Megabaustelle verloren oder gibt es möglicherweise noch andere Gründe dafür?
Obwohl vieles nach den bisherigen Pannen dafür spricht, dass die Bahn die Kontrolle über Ihr eigenes Projekt verloren hat, könnten auch sogenannte „unpopuläre“ Baumaßnahmen dabei eine Rolle spielen. Unpopuläre Baumaßnahmen, die im Vorfeld durchgeführt dem Projekt in seiner aktuellen Phase weitern Gegenwind aus der Bürgerschaft bescheren könnte.
Im folgenden 2. Teil werden diese Baumaßnahmen etwas näher beleuchtet und es wird sehr schnell klar, dass es auch im Bereich Cannstatt für viele Bürger und Berufspendler (Belegschaft Daimler AG) massive Behinderungen (Verkehrsbehinderung) und Einschränkungen in der Lebensquailtät geben wird. Eine möglicherweise überraschende und erschreckende Erkenntnis zugleich, für Menschen, die glaubten weit genug weg vom Ort des Geschehens zu leben. Berufspendler, die während der Bauzeit auf die ÖPNV der VVS oder SSB umsteigen wollen, kommen dabei möglicherweise vom Regen in die Traufe, denn zu dem ohnehin schon stark überlasteten und betriebsgestörten S-Bahn System werden durch diesen Planfeststellungsabschnitt noch weitere Störungen hinzukommen (mehr dazu in Teil 2).

Stuttgart, 31.12.2012 Air